Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht in Hamburg. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 17.08.2022 um 16:34
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Eine Risikolebensversicherung wird auf das Leben eines anderen Menschen abgeschlossen. Damit kein Schmu mit diesen Verträgen betrieben wird, muss die versicherte Person ihre Einwilligung abgeben. Bei digital unterschriebenen Verträgen kann es mitunter dazu kommen, dass diese Einwilligung unbewusst unwirksam ist, warnt Rechtsanwalt Björn Jöhnke im ersten Teil seiner Mini-Serie zum Thema. Aber lesen Sie selbst.

Einfache elektronische Unterschrift

Die einfache digitale Unterschrift wird anstelle einer händischen Unterschrift vorgenommen und ist die Einfügung eines digitalen Signaturelements unter den Vertrag. Die Nutzung einer einfachen digitalen Unterschrift ist zulässig, sofern der Vertragsschluss nicht gemäß Paragraf  125 BGB der Schriftform unterliegt. Dies ergibt sich aus Paragraf  126a BGB, wonach eine verschärfte digitale Form nur greift, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt würde. Die einfache digitale Signatur erschöpft sich dann in ihrer Funktion, den Vertragsschluss nachweisen zu können.

Das verhält sich aber wesentlich anders, wenn die Schriftform gesetzlich angeordnet ist. Denn dann soll die Schriftform, wie sie für die Einwilligung in die Lebensversicherung nach Paragraf 150 VVG erforderlich ist, eine Warn- und Schutzfunktion erfüllen. Die Unterschrift der Einwilligungserklärung unter dem Versicherungsantrag soll nachweisen, dass der Versicherte sich dem Lebensrisiko bewusst ist und der Rechtsordnung in qualifizierter Weise eine Rechtfertigung der gesteigerten Gefahr signalisieren. Diese formgebundene Warnfunktion wird gerade dann nicht erfüllt, wenn die Einwilligung auf einem elektronischen Schreibtablett unterzeichnet wird (vergleiche Oberlandesgericht München vom 04. Juni 2012 – 19 U 771/12).

Qualifizierte elektronische Unterschrift

Ist die Schriftform gesetzlich angeordnet, kann das E-Signing nur wirksam durch eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) bewirkt werden. Hierfür muss ein qualifizierter Vertrauensdiensteanbieter tätig werden. Eine QES muss aufgrund einer identifizierbaren Verschlüsselung nur einer einzigen Person zuzuordnen sein. Die sichere QES kann nicht durch den Austausch des eingefügten Signaturelements beliebig ersetzt werden.

Eine Unterschrift durch QES ist gemäß Paragraf 126 Absatz 3 BGB dann zulässig, wenn das Gesetz nicht ein anderes bestimmt. Für die Lebensversicherung besteht keine solche Vorschrift, sodass das E-Signing mit QES möglich ist. Die Person, deren Leben versichert wird, muss also ihre Einwilligungserklärung durch einen Vertrauensdiensteanbieter signieren lassen.

IV. Meinungsstand: Unwirksam, genehmigungsfähig?

Ist der Vertrag wegen eines Formmangels nichtig und mithin nach den Paragrafen 125, 126a Absatz 1 BGB unwirksam, müsste der Versicherer eine Leistung grundsätzlich nicht erbringen. Denn ohne den Vertrag entsteht keine einforderbare Schuld. Das bedeutet, dass der Lebensversicherer im Todesfall nicht an den Versicherungsvertrag gebunden und nicht vertraglich verpflichtet wäre, bei Eintritt des Todesfalls die Versicherungsleistung auszuzahlen.

Rechtlich umstritten ist, ob die unwirksame Einwilligung nachträglich formwirksam „genehmigt“ werden kann. Zur Folge hätte das, dass der Vertrag wirksam werden würde. Die zu dieser Problematik gefestigte Rechtsprechung geht davon aus, dass die Einwilligung nur vor dem Vertragsschluss erklärt werden kann (BGH vom 09. Dezember 1998 – IV ZR 306–97). Danach wäre eine nachträgliche Genehmigung ausgeschlossen, denn in Paragraf 150 Absatz 1 VVG ist ausdrücklich eine „Einwilligung“ vorgesehen. Eine „Einwilligung“ im Rechtssinne bezeichnet nach Paragraf 183 Satz 1 BGB die vorherige Zustimmung. Der Gesetzgeber hatte für die Konzeption des von Paragraf 150 VVG abgelösten Paragrafen 159 a.F. VVG ausdrücklich die Zustimmung nach Paragraf 183 Satz 1 BGB zum Motiv genommen (vergleiche BGH vom 09. Dezember 1998 – IV ZR 306–97).

Eine andere Rechtsansicht in der Literatur will eine „nachträgliche Einwilligung“ als möglich erachten. Dies würde dem Ziel des Zustimmungserfordernisses entsprechen, denn der Versicherte soll auch nachträglich das Risiko billigen können (Heiss in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, Paragraf 150, Rn. 22). Auch soll in Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung eine Einwilligung durch eine einfache digitale Unterschrift wirksam zu erteilen sein (Grote in: Langheid/Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 9).

V. Zusammenfassung

Die bisherige „alte“ Rechtsprechung stellt sich damit eher „konservativ“. Der Wunsch in der Literatur zur nachträglichen Genehmigung besteht gleichwohl. Allerdings fehlt es an aktueller Rechtsprechung, die sich ausdrücklich auf die QES-Problematik bezieht. Ob eine nachträgliche Genehmigung oder eine einfache Schriftform möglich werden könnte, kann nicht prognostiziert werden. Die Gerichte und der Gesetzgeber werden hierzu Antworten finden müssen. Im Ergebnis ist deswegen aktuell anzuraten, die Einwilligung in digitaler Form stehts nach Maßgabe der QES einzuholen oder eben die vorgeschriebene Schriftform zu wahren.

Im zweiten Teil der Serie, der nächsten Mittwoch erscheint, wird sich Rechtsanwalt Björn Jöhnke mit möglichen Haftungsszenarien aus der unbewusst „unwirksamen“ Lebensversicherung auseinandersetzen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.

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