- Von Lorenz Klein
- 04.06.2020 um 21:03
Beitragswachstum allerorten – so könnte das Kurz-Fazit lauten, um das erfolgreiche Bilanzjahr 2019 der Signal Iduna zu beschreiben. Doch wie bei so vielen Online-Bilanzpressekonferenzen von Versicherern dieser Tage stellt sich auch hier der etwas unfreundliche Eindruck ein: Nichts ist so alt wie die Kennzahl von gestern beziehungsweise von vor Corona.
„That’s so September 10“, sagten die US-Amerikaner einst nachdem ihr Land der Schrecken des 11. September 2001 ereilt hatte – frei übersetzt: Verschon‘ mich bitte mit dem Schnee von gestern. Das lässt sich so natürlich überhaupt nicht auf die wirklich ordentlichen Bilanzkennzahlen der Signal Iduna anwenden – zumal gilt: Wer gesund in eine veritable Wirtschaftskrise geht, ist natürlich auch wehrhafter. Das gilt für Menschen, wie für Unternehmen.
„Wir schauen uns jeden Einzelfall gründlich an, das kann ich versprechen“
Wie „Frontal 21“ über den BSV-Zorn der Wirte berichtet
Signal-Iduna-Chef wirbt für agile Arbeitskultur
Jedenfalls legte die Signal-Iduna-Gruppe mit ihren beiden Stammsitzen in Dortmund und Hamburg bei den Beitragseinnahmen um 3,1 Prozent auf insgesamt 5,91 Milliarden Euro zu. In der Komposit-Sparte meldete der im Handwerk stark verwurzelte Konzern ein sattes Beitragsplus von 6,1 Prozent und in der wichtigen Krankenversicherung stand immerhin ein Zuwachs von 2,4 Prozent zu Buche. Selbst in der Lebensversicherung war mit 1,1 Prozent noch eine positive Entwicklung zu verzeichnen – trotz des bewussten Verzichtes auf die Ausweitung des Einmalbeitragsgeschäftes, wie Konzernchef Ulrich Leitermann am Mittwoch betonte.
Starker Beitrag der freien Vertriebe
2019 markierte gar eines der erfolgreichsten Vertriebsjahre seit 1999 als es zur Verschmelzung zum Gleichordnungskonzern kam, wie Leitermann referierte, nur 2004 sei noch besser gewesen – damals sorgte der bevorstehende Wegfall der Steuerbefreiung in der Lebensversicherung für eine Sonderkonjunktur. Mit einem Plus von 20 Prozent in 2019 steuerten demnach auch die freien Vertriebe „zu dem sehr guten Ergebnis“ bei.
Wie gut es mit dem Vertriebsjahr 2020 weitergeht, lässt sich naturgemäß kaum vorhersagen. Auch wenn man sich frühzeitig auf die Corona-Pandemie eingestellt habe, „lassen sich die Auswirkungen auf den weiteren Geschäftsverlauf noch nicht vollumfänglich abschätzen“, wird Leitermann in der Pressemitteilung des Konzerns zitiert. Live vor der Web-Kamera hörte sich die Lagebeschreibung noch etwas eindringlicher an: Derzeit gebe es „keine kritische Geschäftssituation“, sagte Leitermann. Von neuen Wachstumsrekorden ist diese Wortwahl natürlich mindestens eine Monddistanz entfernt, aber das dürfte ihm keiner verdenken.
Jedenfalls: Das Neugeschäft der ersten fünf Monate des Jahres hat dann doch kräftig ins Kontor geschlagen, wie man in Hamburg sagen würde. Das Minus liege 11 Prozent unter dem Vorjahreswert, sagte Leitermann. Das aufzuholen wird beschwerlich. Noch im März lag der Konzern mit soliden 5 Prozent Wachstum voll im Soll, im April rauschte das Neugeschäft dann um ein Viertel in die Tiefe. Bei bis zu 26.000 Bestandsverträgen habe die Signal Iduna mit den Kunden über Stundungsmaßnahmen gesprochen, hieß es – so ändern sich die Zeiten.
BSV-Schäden hundertmal höher als Einnahmen
Die Vertriebszahlen bereiten dem Management also im Moment eher wenig Freude, wobei es auch hier von Sparte zu Sparte teils deutliche Unterschiede gibt. Vieles im Fluss also – ein Motto das auch ganz gut zur Betriebsschließungsversicherung (BSV) passt. Dass ein derartiges Nischenprodukt gefühlt die Hälfte der Bilanz-PK einnahm, unterstreicht nur wie besonders die Zeiten sind – das Beitragsvolumen der BSV im Konzern taxierte der zuständige Kompositvorstand Stefan Kutz auf eine halbe Million Euro. Dem stünden zu erwartende Corona-Schäden in Höhe eines „mittleren zweistelligen Millionenbetrags“ entgegen.
Zwar seien ihm die Marktzahlen zur BSV nicht genau bekannt, so Kutz, er rechne aber damit, dass die Schäden für die Branche hundertmal höher ausfielen als die Einnahmen. Und dabei handelt es sich ja nur um die monetär messbaren Schäden. Denn wie gravierend sich die negative Presse über die „nichtzahlenden Versicherer“ – ob bei „Bild“, „Heute-Show“ oder „Frontal 21“, um nur einige Beispiele zu nennen – auf das Vertrauen der Versichertengemeinschaft auswirkt, ist ja noch gar nicht abzusehen.
Wie steht es um den Fall des Gastronomen aus dem „Bild“-Video?
Immerhin kann sich die Signal Iduna auf die Fahnen schreiben, dass sie zur Fraktion jener Versicherer gerechnet wird, die sich nicht einfach davonstehlen, wenn’s drauf ankommt. So bekräftigte Konzernchef Leitermann abermals, dass man in Sachen BSV „das Gespräch mit jedem Einzelnen“ suche.
Dazu zählt auch der Gastronom Thomas Klewer. In einem Video-Interview der „Bild“-Zeitung vor gut einem Monat beklagte der Signal-Iduna-Kunde einen coronabedingten Schaden von knapp 20.000 Euro (wir berichteten). Sein Versicherer soll ihm damals ein Angebot von 4.700 Euro im Sinne der „bayerischen Lösung“ angeboten haben, was er aber nicht annehmen wolle. Stattdessen wolle er den Klageweg vorbereiten, wie er damals sagte. Was ist seither geschehen?
Auf Nachfrage von Pfefferminzia erklärte die Signal Iduna am Donnerstag: „Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen – wir sind noch im Gespräch mit dem Kunden.“ Ob dieses Gespräch schlussendlich doch vor Gericht weitergeführt werden muss, bleibt also noch abzuwarten.
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