Unsere vier Branchenexperten (oben, von rechts): Handan Isik, Dipay; Stephan Bruckner, Liechtenstein Life. Unten von rechts: Jürgen Henzler, Alte Leipziger Lebensversicherung; Matthias Pendl, Standard Life. © rawpixel.com / Freepik
  • Von Oliver Lepold
  • 30.11.2021 um 15:40
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lesedauer Lesedauer: ca. 07:25 Min

Welche Chancen haben Nettopolicen, als transparente und oft günstigere Alternative zu Provisionstarifen aus ihrem Nischendasein hervorzutreten? Das besprach Pfefferminzia mit vier Branchenexperten.

Pfefferminzia: Der Anteil der Nettopolicen liegt je nach Sparte maximal im Promillebereich. Was limitiert eine größere Verbreitung – das Angebot, die Makler oder die Kunden?

Jürgen Henzler, Leiter Dezentraler Vertrieb, Alte Leipziger Lebensversicherung: Wir verzeichnen einen Anteil an Nettopolicen in der privaten Fondsrente von gut 10 Prozent – mit steigender Tendenz. Dass dies in der Breite des Marktes anders ist, hat viele Gründe. Einerseits hängen viele Vermittler an ihren Abschlussprovisionsmodellen, andererseits gibt es noch zu wenig echte Nettopolicen, bei denen Abschluss- und Vertriebskosten zu 100 Prozent herausgerechnet sind. Es gibt zu viele Mogelpackungen, da haben wir als Branche noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir müssen Vermittler begeistern, etwas Neues auszuprobieren. Dabei ist es sehr motivierend mit jenen zu sprechen, die ihr Geschäftsmodell langsam gewandelt haben und nun sagen, dass ihre Geschäfte besser als zuvor laufen.

Handan Isik, Geschäftsführende Gesellschafterin und Mitinitiatorin, Dipay: Versicherer, Vermittler, Kunde – bei allen drei Parteien gibt es noch viel Luft nach oben. Wir beobachten Versicherer, die sich aktiv im Markt bewegen und gute Nettoprodukte anbieten, andere möchten mit dem Makler erst gewisse Zusatzvereinbarungen abschließen. Und manche haben noch gar keine Nettotarife im Angebot. Viele Makler sehen zurzeit noch nicht die Notwendigkeit, mit ihren Kunden über Nettopolicen zu sprechen, weil sie ihre Komfortzone nicht verlassen können oder möchten. Sie sprechen das Thema erst gar nicht an. Aus eigener, mehr als zehnjähriger, Erfahrung weiß ich, dass Kunden offen für Nettopolicen sind, wenn ihnen die Unterschiede zu den Provisionsprodukten gezeigt werden.

Matthias Pendl, Vertriebsmanager, Standard Life: Die Mogelpackungen sehe ich ganz ähnlich, bei manchen Tarifen am Markt würde ich von Etikettenschwindel reden. Der größte Einflussfaktor ist meiner Ansicht nach der Vermittler. Denn es läuft doch mit Courtagen und alternativen Vergütungsmodellen, da braucht er die Erweiterung um Nettotarife nicht. Wenn der Kunde aber darauf angesprochen wird, ist er auch bereit, über Nettotarife nachzudenken. Aber der Impuls kommt eben nicht vom Kunden, und wenn er nicht vom Makler kommt, landet man automatisch bei der Courtage.

Stephan Bruckner, Verkaufsdirektor Deutschland, Liechtenstein Life: Das ist alles richtig. Ich sage zögernden Vermittlern immer, dass der Kunde den Unterschied zwischen Netto und Brutto nicht kennt, die Vermittler aber schon. Sie können dem Kunden erklären, wie vorteilhaft Nettopolicen sind. Wir müssen mehr Aufklärungsarbeit betreiben. Vermittler haben Ängste, über Honorare zu sprechen, weil das die provisionsbasierte Konkurrenz eben nicht zu tun braucht. Sie fürchten, Kunden zu verlieren und dann nur jene beraten zu können, die ein Honorar bezahlen wollen. Dabei ist unsere Erfahrung, dass Vermittler mit Nettopolicen Kunden dazugewinnen. Ich finde es auch wichtig, dass mehr Versicherer echte Nettopolicen auf den Markt bringen. Nur mit mehr Angeboten lassen sich Ratings und Analysen durchführen. Dann wird das Thema auch deutlich mehr kommuniziert werden.

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Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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