Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht in Hamburg. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 24.08.2022 um 11:34
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In Teil 1 seiner Mini-Serie warnte Rechtsanwalt Björn Jöhnke davor, dass digital unterschriebene Risikolebensversicherungen unbewusst unwirksam sein können. In diesem zweiten Teil geht er auf die sich daraus ergebenden Haftungsgefahren für Vermittlerinnen und Vermittler ein.

Festzuhalten ist, dass der Versicherungsnehmer seine gezahlten Prämien zurückerhalten würde, wenn der vermeintliche Vertrag vor Eintritt des Versicherungsfalls enden würde. Tritt der Versicherungsfall ein, könnte der Versicherer die Auszahlung nicht mehr verweigern, wenn er die Prämienzahlungen annahm. Es würde ein bestehender Vertrag zugunsten der Versicherungsnehmer fingiert werden. Hätte der Versicherer die Prämien ausgezahlt, steht ihm aus demselben Grund kein Rückforderungsrecht zu, denn die Leistungen erfolgten mit Rechtsgrund. Zudem könnte der Versicherungsnehmer im Überlebensfall seinen Bereicherungsanspruch gegen den Versicherer um die Herausgabe der gezogenen Nutzungen nach Paragraf 818 Absatz 3 BGB erweitern. So würde er Zinsen für die Kapitalüberlassung erhalten.

Am Ende der rechtlichen Rückabwicklung steht der Vermittler, der den unwirksamen Vertrag „vermittelt“ hat. Eine Pflichtverletzung entsprechend der Paragrafen §§ 60, 61 VVG lässt sich durch die fehlende oder falsche Beratung konstruieren, wenn der Vermittler den Versicherungsnehmer nicht auf das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur (Paragraf 126a BGB) hingewiesen hat. Allerdings ist fraglich, ob dem Versicherungsnehmer ein ersatzfähiger Schaden entstehen würde, denn schließlich erhielte er seine gezahlten Prämien zurück und könnte sich entsprechend der BGH-Judikatur auf einen fingierten Vertrag berufen.

 

Ein Schaden im Vermittlerrecht bestünde dann, wenn der Versicherungsnehmer bei ordnungsgemäßer Beratung finanziell besser stehen würde, als er tatsächlich steht, und zwar deswegen, weil er einen ihm Versicherungsschutz gewährenden Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen hat (Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, Rn. 6). Eine Schlechterstellung des Versicherungsnehmers käme nur dann in Betracht, wenn er keinen Anspruch auf die Deckungssumme wegen der unwirksamen Einwilligung hätte, obwohl er wirksam einen anderen Lebensversicherungsvertrag hätte schließen können.

Der Versicherungsnehmer würde aber faktischen Deckungsschutz aufgrund der fehlenden Rückforderungsmöglichkeit des Versicherers und der Fiktion eines wirksamen Vertrages erhalten. Der Versicherungsnehmer würde denselben Schutz erhalten, den er auch durch ein anderes Versicherungsprodukt hätte erhalten können. Ein ersatzfähiger Schaden wäre in diesem Szenario nicht entstanden. Allerdings kann unter Umständen, je nach Einzelfall, eine Vermittlerhaftung durchaus „konstruiert“ werden.

III. Zusammenfassung und Fazit

Die zentrale vorliegende Problematik ist, dass derzeit eine unüberschaubare Anzahl an denkbar unwirksamen Lebensversicherungsverträgen „im Umlauf“ sein könnte und damit auch aktiv bedient werden. Tritt die Unwirksamkeit zu Tage, kann eine sachgerechte Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht denkbar sein. Rechtlich wäre die Unwirksamkeit für den Versicherungsnehmer wenig belastend. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Ansprüche gegen Vermittler gerichtet werden, gleich ob diese dem Grunde oder der Höhe nach bestehen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass all jene Lebensversicherungsverträge unwirksam sein könnten, die mit einer einfachen digitalen Einwilligung der versicherten Person geschlossen wurden. Will der Versicherungsnehmer die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag beanspruchen, so könnte ihm im Erlebens- oder Todesfall eine vertragliche Leistung nicht zustehen. Allerdings lässt sich eine interessens- und sachgerechte Abwicklung über das Bereicherungsrecht erreichen. Es ist nicht evident, dass dem Versicherungsnehmer ein von den Vermittlern zu vertretender ersatzfähiger Schaden zwingend entsteht. Im Zweifelsfall könnte die Unwirksamkeit dem Versicherungsnehmer sogar zugutekommen, wenn die angesammelten und herauszugebenden Prämien mit 5 Prozent über dem Basiszinssatz verzinst werden müssten. Eindeutig würde dies dann nur zulasten der Versicherer gehen, die einen formunwirksamen Vertrag angenommen haben.

Es ist eindeutig nicht im Interesse der Rechtssicherheit, dass sich höchstwahrscheinlich eine sehr hohe Anzahl an unwirksamen Versicherungsverträgen „im Umlauf“ befindet. Gewiss, auch wenn Haftungsszenarien vorliegend sehr konstruiert und damit theoretisch wirken, ist die Vermittlung von unwirksamen Versicherungsverträgen den Versicherungsvermittlern keinesfalls zu empfehlen. Aus diesem Grunde soll dieser Beitrag auf die denkbaren Risiken hinweisen und für diese Thematik sensibilisieren. Im Rahmen der „Digitalisierung der Versicherungsbranche“ ist an dieser Stelle sicher auch mit weiteren Entwicklungen zu rechnen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.

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