Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Kanzlei Jöhnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 19.01.2021 um 12:36
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Muss eine Versicherte eine unbestätigte Verdachtsdiagnose im Rahmen der Gesundheitsprüfung einer Dread-Disease-Versicherung angeben? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Hamm beschäftigt. Wie das Urteil lautete, erklärt Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke in seinem Gastbeitrag.

Kann die Entscheidung des OLG Hamm überzeugen?

Die Entscheidung des OLG Hamm kann im Ergebnis überzeugen. Das Gericht bezieht sich in seiner Entscheidung unter anderem auf die gesetzliche Regelung des Paragrafen 19 Absatz 1 VVG zur Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht und betont die Bedeutung, diese nicht zu unterlaufen, indem es seine Ausführungen auf diese Norm stützt.

Auch misst der zuständige Senat des OLG Hamm dem Textformerfordernis im Rahmen der Antragstellung zum Abschluss einer Versicherung die nötige Bedeutung bei und stellt richtigerweise fest, dass eine unter anderem unstreitig unbestätigte Verdachtsdiagnose nicht angezeigt werden muss, insbesondere weil der Versicherer nicht danach, unter Einhaltung des Textformerfordernisses, gefragt hat.

Andererseits führt das OLG Hamm richtigerweise aus, dass das Aufklärungsinteresse beachtet werden muss, allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen. Zutreffend wurde im Streitfall seitens des Gerichts der Ausnahmefall nicht zum Regelfall umgewandelt.

Jedoch weist die Entscheidung auch Unklarheiten bezüglich des Umstands auf, wann die Grenze zu einer Gefährdung des Aufklärungsinteresses des Versicherers überschritten wird. Das OLG Hamm bezieht sich dabei auf solche Gefahrumstände, die so selten und fernliegend sind, dass dem Versicherer nicht vorzuwerfen ist, sie nicht abgefragt zu haben. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, wird jedoch nicht eindeutig festgestellt. Es heißt lediglich, dass wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handelt, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen müsste. Nähere Ausführungen dazu macht das Gericht nicht.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamm weist eine hohe Praxisrelevanz auf. Zum einen stärkt diese Entscheidung die Position des Versicherungsnehmers hinsichtlich einer etwaigen spontanen Anzeigepflicht. Zum anderen zeigt sie, dass auch das Aufklärungsinteresse des Versicherers von großer Bedeutung ist – aber eben nur in bestimmten Ausnahmefällen.

Den Regelfall bildet demnach weiterhin der allgemein anerkannte Umstand, dass den Versicherungsnehmer keine spontane Anzeigeobliegenheit trifft. Es besteht mithin keine eindeutige und einheitliche, höchstrichterliche Regelung für den Fall der sogenannten „spontanen Anzeigeobliegenheit, beziehungsweise Anzeigepflicht“ im Versicherungsfall.

Für die Praxis ist damit festzustellen, dass es sinnvoll ist, jede Antragstellung vor Abschluss eines Versicherungsvertrages juristisch überprüfen zu lassen und frühzeitig anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen, um eine spätere Leistungsablehnung im Rahmen der vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten zu vermeiden.

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow wird auf dem digitalen Vermittler-Kongress 2021 am 04. Februar 2021 zu diesem Thema referieren. Anmeldungen sind unter www.vermittler-kongress.de möglich.

Über den Autoren

Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz & IT-Recht, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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