- Von Lorenz Klein
- 09.11.2021 um 17:21
Versicherungsmakler und -vermittler sind eine ungewöhnlich anpassungsfähige Spezies, das zeigte sich besonders eindrucksvoll, als die Corona-Krise die Berater-Branche dazu zwang, bei der Digitalisierung mal eben von Bummelzug-Tempo auf Formel-1-Geschwindigkeit umzuschalten – vielerorts gelang das erstaunlich gut.
Müssen sich die Vermittler schon bald wieder neu erfinden, wenn eine künftige Bundesregierung dann irgendwann einmal ihre Arbeit aufnehmen wird? Noch rätselt die Branche darüber, was die Politiker aus dem machen, was ihnen die Wähler in diesem Land zugemutet haben. Voraussichtlich kommen aber mit der SPD und den Grünen Parteien an die Macht, die einer klassischen Versicherungsvermittlung mittels Abschlusscourtage skeptisch gegenübersteht. Was könnte das für den Versicherungsvertrieb bedeuten?
„Wir wollen nicht den sofortigen Umstieg auf die Honorarberatung“
Nettopolicen nehmen an Fahrt auf
„Wenn es zu Provisionsverboten oder Provisionsdeckeln kommt, werden die Vermittler darauf reagieren. Manche könnten schneller als bisher geplant aus dem Markt ausscheiden, manche dürften gezwungenermaßen zu Honorarvermittlern umsteigen“, sagt Versicherungswissenschaftler und Fachjournalist Matthias Beenken. Sollten Versicherungsvermittler nun also zügig auf Honorarberater umschulen – nur um sicherzugehen?
Gemach, meint Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands Votum. „Wie heute ein Versicherungsmakler die Vermittlung einer Gebäudehaftpflicht vergütet bekommt, ist sicherlich nicht Thema von Sondierungsgesprächen zwischen FDP und Grünen. Da sollten wir unsere Branche auch nicht überhöhen“, sagte Klein Ende September im Podcast-Gespräch mit Pfefferminzia. Die grüne Partei wolle die Honorarberatung zwar ganz klar stärken, „aber die Vorstellungen gehen in die Richtung, mit der Branche Lösungen zu finden“, schildert Klein, der zugleich beispielhaft auf den Zeitplan beim Kohleausstieg verwies. „Wir werden nicht übermorgen ein Provisionsverbot erleben.“ Wenn es überhaupt zu solchen Themen kommen werde, so der Votum-Vorstand, sei mit entsprechenden Referentenentwürfen „maximal in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode“ zu rechnen – und diese würden auch nicht zu einem sofortigen Provisionsverbot führen, sondern „wenn, dann zu einem Ausstieg aus dem provisionsbasierten System“, so Kleins Prognose.
Servicegebühren und honorarbasierte Beratung
Einen Komplettausstieg aus dem provisionsbasierten System hat der Versicherungsmakler Holger Steiniger zwar nicht unternommen, aber er hat bereits seit vielen Jahren eine Honorarberatung in der Sachversicherung etabliert. Inzwischen beruht sein gesamtes Sachgeschäft auf Servicegebühren und einer honorarbasierten Beratung. „Seit 2015 arbeiten wir mit Honorarverträgen und Servicegebühren sehr erfolgreich“, schildert der 54-Jährige gegenüber Pfefferminzia.
An diesem Erfolg will der Makler aus Greiz in Thüringen auch seine Kolleginnen und Kollegen teilhaben lassen – gegen Gebühr versteht sich, denn Steiniger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Servicegebühren – Honorarberatung bei Sachversicherung“. Darin hat er niedergeschrieben, wie er eigentlich auf die Idee kam, die bestehenden Verträge auf Nettotarife ohne Courtage umzustellen, welche Überlegungen dabei eine Rolle spielten und welche Erfahrungen dabei gesammelt werden konnten. Ein bisschen kann er vorab verraten: „Grundvoraussetzung ist immer eine betriebswirtschaftliche Analyse seines eigenen Bestandes und der Mut, mit seinen Kunden Klartext zu reden“, sagt er. „Über 90 Prozent meiner Kunden sind den Weg zur Honorarberatung sofort mitgegangen, nur wenige mussten erst überlegen – und von den anderen habe ich mich getrennt.“
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