Schild vor dem Gebäude des Bundesgerichtshofs: Urteil über Treu und Glauben © picture alliance/dpa | Uli Deck
  • Von Andreas Harms
  • 15.02.2023 um 17:06
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Kann ein Versicherungsnehmer seine Versicherung auch noch nach Jahren rückabwickeln lassen, weil damals in der Widerspruchsbelehrung etwas schieflief? Nein, sagt der Bundesgerichtshof (BGH). Jedenfalls nicht, wenn es nur ein kleiner Fehler wie in diesem Fall war.

Auch wenn Kunden fehlerhaft über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt wurden, können sie nicht einfach noch Jahre später ihre Versicherungsverträge widerrufen. Das entschied der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem aktuellen Urteil (Aktenzeichen: IV ZR 353/21, liegt noch nicht vor).

Die Klägerin hatte zusammen mit einem weiteren Versicherungsnehmer im Herbst 2002 fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungsverträge abgeschlossen. Versicherungsbeginn waren der 1. November und der 1. Dezember. 2016 und 2017 kündigten sie ihre Verträge. 2018 widersprachen sie ihnen dann aber noch zusätzlich und wollten sie rückabwickeln lassen.

Warum? Knackpunkt war ein Fehler, den der Versicherer beim Widerspruchsrecht begangen hatte. Er hatte darin das Recht zum „schriftlichen Widerspruch“ erwähnt. Laut damals gültigem Versicherungsvertragsgesetz (Paragraf 5a) hätte aber auch die Textform genügt. Der Unterschied liegt darin, dass für den schriftlichen Widerspruch die eigenhändige Unterschrift nötig ist. Für die Textform reicht auch eine E-Mail oder sogar Whatsapp-Nachricht.

Die Klägerin wollte diesen Fehler offenbar nutzen, um Jahre später noch ihre Verträge rückwirkend loszuwerden. Doch schon die Vorinstanzen – Kammergericht und Landgericht Berlin – lehnten das ab. Der Versuch widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, der in Paragraf 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beschrieben ist. Wörtlich lautet er:

„Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“

Das Berufungsgericht nahm an: „Der Fehler in der Belehrung kann die Klägerin nicht ernsthaft davon abgehalten haben, dem Vertrag innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu widersprechen.“ Stattdessen habe der Versicherer ein „schutzwürdiges Vertrauen“ darin gehabt, dass der Vertrag fortbesteht.

Dem Argument folgte nun auch der BGH: Das Widerspruchsrecht auszuüben, verstößt gegen Treu und Glauben, „wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt“, der dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit nimmt, „sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben“. Denn das stelle eine „nur geringfügige, im Ergebnis folgenlose Verletzung der Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Belehrung“ dar.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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