- Von Redaktion
- 29.11.2013 um 16:01
Bei dem Chat auf der Website mdr.de/Sachsenspiegel stellten sich Jochen Resch, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Hauke Maack, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Kerstin Reinsperger, Verbraucherzentrale Sachsen den Fragen der Leser. Anschließend veröffentlichte MDR den Chatprotokoll. Pfefferminzia fasst die informativsten Antworten zusammen.
Frage: Ich habe Orderschuldverschreibung der Future Business gezeichnet. Theoretisch läuft diese Ende Januar aus. Muss ich jetzt noch formal kündigen oder kann ich es einfach laufen lassen?
Kerstin Reinsperger: Sie müssen nicht kündigen. Aber Sie müssen Ihre Forderung im Insolvenzverfahren anmelden.
Frage: Kann ich auch ohne Anwalt meine Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden? Was muss ich beachten?
Hauke Maack: Sobald Ihre Forderung höher als 5.000 Euro ist und sie Ihre Forderung einklagen müssen, benötigen Sie einen Anwalt. Die Forderungsanmeldung können Sie ohne Rechtsanwalt erledigen. Theoretisch – wenn Sie in der Lage sind, auch alle Anforderungen zur Forderungsanmeldung zu erfüllen. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter Ihre Forderung bestreitet. Die Kosten für eine Anmeldung über einen Anwalt sind relativ überschaubar. Diese betragen nur einen Bruchteil eines normalen Klageverfahrens. Fragen Sie doch einen Anwalt Ihres Vertrauens einfach, was es kosten würde.
Frage: Wo melde ich ohne Anwalt meine Forderung an?
Hauke Maack: Bei dem Insolvenzverwalter des jeweiligen Unternehmens. Beachten Sie, dass es je nach Unternehmen verschiedene Verwalter gibt.
Frage: Warum gibt es nicht einen einzigen Insolvenzverwalter, sondern ganz viele, die sogar bereits gegeneinander klagen sollen? Sollte nicht in unserem Kundeninteresse ein Verwalter alles sortieren und abwickeln?
Hauke Maack: Wenn eine Gesellschaft zum Beispiel eine Forderung gegen eine andere Gesellschaft hat, müsste ein Insolvenzverwalter, der beide Unternehmen vertritt, sich ja selbst verklagen. Das geht nicht. Daher ordnet das Gericht meistens verschiedene Verwalter an.
Frage: Wer finanziert die vielen Insolvenzverwalter? Geht deren Gehalt aus der Masse – konkret, bekommen diese Herrschaften von meinem Geld ihren Lohn?
Jochen Resch: Insolvenzverwalter ist für die Gläubiger da. Also bezahlen ihn die Gläubiger – also Sie.
Frage: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um auf Falschberatung zu klagen?
Kerstin Reinsperger: Eine Falschberatung liegt vor, wenn Sie nicht anleger- und objektgerecht beraten wurden. Das heißt, Ihre Anlegerziele, Anlagehorizonte und Risikobereitschaft wurden nicht genügend berücksichtigt oder die Risiken der Geldanlage wurden nicht vollständig aufgezeigt.
Frage: Wie lange kann sich so ein Insolvenzverfahren hinziehen?
Hauke Maack: Das kann nicht sicher gesagt werden. Bei umfangreichen Verfahren, bei denen wir Anleger betreut haben wissen wir, dass es sich durchaus auch über mehr als fünf Jahre hinziehen kann. Bitte beachten Sie, dass es die Insolvenz betrifft, nicht aber Verfahren gegen Berater und andere Beteiligte. Das kann erheblich schneller gehen.
Frage: Die Kapitalerträge von Genussrechten unterliegen grundsätzlich der Kapitalertragssteuer und können auch nicht durch einen Freistellungsauftrag beeinflusst werden. Deshalb ist es empfehlenswert, eine Einkommenssteuererklärung zu machen, um die Erträge vom Finanzamt zurückzubekommen. Für die in 2013 ausgeschütteten Erträge wäre eine Steuererklärung in 2014 nötig. Kann man in 2014 mit einer “Rückzahlung” rechnen oder sind auch diese Gelder beim Finanzamt “eingefroren”?
Jochen Resch: Schwere Frage. Ich denke, dass die Zinsen zu versteuern sind, auch wenn die Gesellschaft in die Insolvenz geht. Aber fragen Sie Ihren Steuerberater. Der sollte sich auskennen. Ich bin “nur” Rechtsanwalt.
Frage: Wer vertritt mich, wenn ich auch die Bafin verklagen möchte, denn die hat der Infinus lange Jahre seriöses Arbeiten bescheinigt?
Jochen Resch: Schadensersatz setzt immer ein Verschulden voraus. Dazu liegen keine Erkenntnisse vor. Staatshaftung greift regelmäßig nur dann, wenn sonst nichts zu holen ist. Also zunächst haften Vermittler, Prospektverantwortlicher, Ratingagenturen.
Frage: Ist es sicher dass es sich um Betrug handelt? Oder ist es möglich, dass ich mein ganzes Geld wiederbekomme?
Hauke Maack: Es gilt die sogenannte Unschuldsvermutung. Erst mit einem rechtskräftigen Urteil steht fest, ob jemand einen Betrug begangen hat.
Frage: Ist eine Arrestpfändung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch sinnvoll?
Jochen Resch: Kriegen Sie nicht durch. Alle Voraussetzungen fehlen. Da werden falsche Hoffnungen geweckt. Damit wird Mandantenfang betrieben.
Frage: In einer Informationsveranstaltung unserer nun sehr regen Anwälte wurde mitgeteilt, dass der Insolvenzverwalter auch bereits gezahlte Zinsen rückwirkend bis 2011 wieder einfordern kann. Gibt es dafür einen Rat, dass ich dieses Geld wenigsten behalten kann?
Jochen Resch: Das kann Ihnen passieren. Die Frage ist, ob Sie diesen Anspruch abwehren können. Kommt auf den Einzelfall an.
Frage: Mit welcher Begründung können bereits gezahlte Zinsen zurückgefordert werden?
Jochen Resch: Wenn es keine Gewinne gewesen sind, sondern nur sogenannte Ausschüttungen. Im Moment ist es zu früh, hier Aussagen zu treffen. Das hängt von vielen Faktoren ab.
Frage: Aber ich denke, OSV-Zinsen sind Darlehnszinsen und keine Ausschüttungen?
Jochen Resch: Orderschuldverschreibungen sind keine Darlehen.
Frage: Noch eine Frage zu den Zinsen. Die Zinserträge sind auf ein gesondertes Konto hinterlegt, das einen weiteren Sparplan mit monatlich 30 Euro bedient. Die Anlage hat nichts mit Infinus zu tun, wurde jedoch vom selben Vermittler angelegt. Was passiert mit diesen Erträgen?
Hauke Maack: Zunächst bleiben die Zinsen auch dort, da das Zinsanlagekonto ja wohl nicht zu den Insolvenzkandidaten gehört. In der Diskussion ist aber, ob der jeweilige Insolvenzverwalter Zinsen zurückfordern kann (siehe oben).
Frage: Ich habe am 25.10.2013 noch eine Orderschuldverschreibung (OSV) gezeichnet und am 28.10.2013 das Geld an Ecoconsort überwiesen. Aufgrund der Ereignisse habe ich am 6.11.2013 per Fax und per Post noch fristgerecht Widerruf gegen diese OSV eingelegt. Wie ist jetzt in meinem Fall die Chance, dass dieser Widerruf berücksichtigt werden kann und ich mein Geld zurückbekomme?
Jochen Resch: Wenn das Geld auf dem Konto der Ecoconsort ist, wird es schwierig. Versuchen Sie es über ihre Bank. Widerruf wird nicht reichen.
Frage: Kann ich also zu meiner Bank gehen und diese kann mein Geld zurückbuchen, auch wenn die Konten bei Ecoconsort gesperrt sind?
Jochen Resch: Wird wohl nicht funktionieren. Aber versuchen Sie es.
Hauke Maack: Bei überwiesenem Geld haben dies bereits mehrere Anleger vergeblich versucht. Bei Lastschriften kann diese anders aussehen.
Frage: Mein Vermittler hat auch mit Bafin-Kontrolle und Creditreformrating geworben. Was hat das für Konsequenzen?
Hauke Maack: Das kann nachteilig für Ihren Anlageberater sein. Hier können sich Ansatzpunkte dafür ergeben, dass Ihr Anlageberater in die Haftung kommt. Die Angabe über das Rating ist nach unserem Kenntnisstand häufiger erfolgt. Das kann Ansatzpunkte dafür bieten, dass Ihr Berater haften könnte.
Frage: Mein Vermittler/Berater ist ein Mitarbeiter der Infinus. Er sagt, er hätte persönlich keinen Schadenshaftpflichtschutz. Greift in dem Fall die Schadenshaftpflicht der Firma Infinus?
Jochen Resch: Er wird unter das Haftungsdach der Infinus fallen. Dort ist er versichert.
Frage: Das verstehe ich nicht. Warum haften Vermittler, die sich auf ein vertrauensvolles Gutachten der BaFin verlassen haben.
Hauke Maack: Im Zweifelsfall muss der Berater selbst prüfen. Sie müssen aber auch beachten, was denn das “Gutachten” überhaupt beinhaltet.
Frage: Wie trenne ich die Spreu vom Weizen bezüglich Anwalt? Die wachsen gerade wie Pilze aus dem Boden.
Kerstin Reinsperger: Zunächst einmal können Sie den Suchservice der Rechtanwaltskammern nutzen. Empfehlenswert sind in diesem Fall Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht, die langjährig und bekanntermaßen verbraucherorientiert tätig sind. Informationen finden Sie auf den Internetseiten der Kanzleien.
Frage: Die meisten Anleger können sich keinen Anwalt leisten oder haben Angst noch mehr Geld zu versenken. Ist da eine Interessengemeinschaft mit Ziel der Sammelklage sinnvoll? Aber in welche Richtung?
Kerstin Reinsperger: Interessengemeinschaften bieten zunächst die Möglichkeit einer Plattform zum Informationsaustausch. Sie sollten keine Extra-Gebühren kosten. Die Möglichkeit einer sogenannten Sammelklage gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen über das Kapitalanlagen-Musterverfahrensgesetz. Das könnte bei Falschaussagen in Prospekten angewandt werden.
Frage: Falls ein Insolvenzverfahren eine Quote ergibt, wird diese Quote dann gleichberechtigt auf alle Anleger bzw. Anlagen angewendet?
Hauke Maack: Nein. Aus unserer Praxis müssen wir darauf hinweisen, dass nur die Anleger Geld erhalten, die Ihre Forderung angemeldet haben.
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