- Von Redaktion
- 31.03.2020 um 11:01
Worum geht’s?
Das Landgericht Saarbrücken wendet sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Es möchte erfahren, wie die europäische Richtlinie im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Immobilienkredits auszulegen ist (Aktenzeichen 1 O 164/18). Konkret geht es um die Frage, ob die Formulierung in der Widerrufsinformation, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB … erhalten hat“ klar und verständlich ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte hierzu entschieden, dass eine solche Widerrufsinformation ausreichend sei (XI ZR 434/15). Dieser Rechtsprechung folgten daraufhin auch andere Gerichte, zum Beispiel das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (6 U 88/18) oder das OLG Brandenburg (4 U 97/18).
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Warum die Vorlage beim EuGH?
Das Landgerichts Saarbrücken sieht das anders. Es sei zweifelhaft, ob die Angaben in der Widerrufsinformation „in klarer, prägnanter Information“ erfolgten, wie es die Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008 in Art. 10 Abs. 2 lit. p) vorsehe. Daher hatte das Landgericht diese Frage dem Europäischen Gerichtshof im Wege einer sogenannten fakultativen Vorabentscheidung vorgelegt. Der Europäische Gerichtshof hat das Auslegungsmonopol über die Richtlinie. Nur so kann auch eine einheitliche Rechtsprechung europaweit erfolgen.
Wie der EuGH entschieden hat
Der Europäische Gerichtshof stellt zunächst klar, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt. Dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist, laufe der Richtlinie zuwider (C-66/19). Im Fall einer solchen Kaskadenverweisung könne der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags nämlich weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen, noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält.
Fazit
Zahlreiche Immobiliendarlehensverträge könnten nunmehr auf Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof nach Widerruf wieder zur Disposition stehen. Die nicht verbraucherfreundliche Auslegung des BGH wird vom EuGH nicht geteilt.
Über den Autoren
Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Stuttgarter Kanzlei Wüterich · Breucker Rechtsanwälte.
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