- Von Lorenz Klein
- 14.10.2022 um 12:58
Die Angst vor explodierenden Lebenshaltungskosten nimmt in den Gedanken der Deutschen viel Platz ein. Mehr als zwei Drittel der Deutschen (67 Prozent) befürchten, dass alles immer teurer wird. Zu diesem Ergebnis kommt die Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ der R+V Versicherung, an der sich über 2.400 Menschen beteiligten. „Der bange Blick in den Geldbeutel lässt die finanziellen Ängste in die Höhe schnellen. Insgesamt sind die Menschen deutlich sorgenvoller als noch vor einem Jahr“, kommentiert Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch die aktuelle Entwicklung.
Die neuen Ängste der Deutschen
Deutsche haben Angst vor Pflegebedürftigkeit im Alter
Finanzielle Sorgen treiben die Deutschen vor allem um
Demnach hat der „Angstindex“, der den Durchschnitt aller abgefragten Sorgen angibt, das höchste Niveau seit vier Jahren erreicht. Er liegt nunmehr bei 42 Prozent. „Die Preisspirale macht den Menschen in allen Bevölkerungsschichten Angst. Das gilt für reiche Befragte genauso wie für arme, für Jung und Alt, für Männer wie Frauen und für Anhänger aller Parteien in allen Bundesländern“, erläutert Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der die R+V bei der Auswertung der Ängste-Studie unterstützt.
Inflationsangst so stark gestiegen wie seit 1993 nicht mehr
Bemerkenswert ist aus Sicht der Autoren die starke Zunahme der Inflationsangst in diesem Jahr um 17 Prozentpunkte auf Platz eins (siehe Grafik). Noch im Vorjahr lag die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten mit 50 Prozent auf Platz zwei. „Einen solchen Anstieg haben wir bei diesem Thema erst einmal zuvor erlebt. 1993 schnellte die Sorge von 29 Prozent auf 57 Prozent“, skizziert Brower-Rabinowitsch. Damals war die Talfahrt der deutschen Wirtschaft der Auslöser.
Das Beispiel zeigt, dass die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten den Deutschen keineswegs unbekannt ist. Im Verlauf der Langzeitstudie stand sie schon zwölfmal auf Platz – und damit häufiger als jede andere Sorge. Überraschend aus Sicht der Autoren ist dabei, dass die Angst im Westen mit 69 Prozent erstmals deutlich ausgeprägter ist als in Ostdeutschland (59 Prozent).
Auf Platz zwei rangiert mit 58 Prozent die Angst, dass Wohnen unbezahlbar wird. Die Frage wurde 2022 erstmals in den Fragenkatalog aufgenommen. „Auch diese Sorge hat reale Grundlagen: ein knappes Angebot, hohe und oftmals weiter steigende Preise sowie eine starke Konkurrenz unter den Wohnungssuchenden“, so Studienbetreuer Schmidt.
Kriegsangst kehrt mit Wucht zurück
Und auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine lässt scheinbar vergessene Ängste mit Wucht zurückkommen. So erklärten 42 Prozent, dass sie einen Krieg mit deutscher Beteiligung fürchten (Platz zwölf). Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein enormer Zuwachs um 26 Prozentpunkte (2021: 16 Prozent, Platz 21). Einen derart extremen Anstieg gab es in den drei Jahrzehnten der Langzeitstudie erst zweimal. Dazu Wissenschaftler Schmidt: „Nach vielen Jahrzehnten Frieden erschien ein Krieg mit deutscher Beteiligung für viele undenkbar. Russlands Angriff auf die Ukraine hat diesen Glauben zerstört. Nun wächst die Befürchtung, Deutschland werde in einen Krieg verwickelt.“ Einen ähnlich großen Anstieg dieser Angst gab es zuletzt 1999 infolge des Kosovo-Krieges. Damals schnellte sie von 24 Prozent auf 60 Prozent.
Starker Zuwachs bei Umweltängsten
Zu allem Überfluss haben auch die Umweltängste stark zugenommen: Nach dem Dürresommer 2022 fürchtet fast jeder zweite Befragte Wetterextreme und Naturkatastrophen (49 Prozent, Platz sechs). Das ist ein klarer Anstieg im Jahresvergleich (2021: 41 Prozent, Platz acht). Spürbar wächst laut R+V auch die Angst vor dem Klimawandel. Sie landet mit 46 Prozent auf Platz acht (Vorjahr: 40 Prozent, Platz elf).
„Vor einigen Jahren war ein heißer, regenarmer Sommer in Deutschland noch ein Grund zur Freude. Jetzt erleben wir alle die negativen Folgen unmittelbar – Waldbrände werden häufiger, Flüssen fehlt Wasser und die Natur insgesamt leidet“, kommentiert Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. Auch die Flutkatastrophe an der Ahr und in der Eifel vor einem Jahr sei den Menschen noch präsent, so der Experte.
Weitere Hintergründe und Grafiken zur Studie stellt das R+V-Infocenter hier bereit.
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