- Von Andreas Harms
- 20.03.2023 um 17:03
In der klassischen Banklehre gibt es den schönen Begriff der „Bodensatztheorie“. Sie besagt: Von allen kurzfristig verfügbaren Einlagen – also zum größten Teil auf Girokonten – bleibt immer ein gewisser Teil auf eben diesen Konten liegen. Denn nie wollen alle Kunden all ihr Geld abheben (theoretisch!).
Damit entsteht ein Bodensatz, den Banken langfristig anlegen können. Sie können davon Kredite ausgeben – oder das Geld in langlaufende Anleihen stecken. Das wiederum nennt sich Fristentransformation – aus kurzfristigem Geld machen Banken langfristiges. Und aus Stroh machen sie Gold.
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Soweit die Theorie. Denn dem steht die Goldene Bankregel entgegen. Sie besagt, dass man kurzfristig hereingenommene Einlagen (Giroguthaben) auch nur kurzfristig weiterverleihen darf. Fristenkongruenz nennt sich das. Und wenn man die allzu sehr ignoriert, kann man … richtig! … pleitegehen. Nämlich dann, wenn die Kontokunden mehr Guthaben abräumen wollen, als die Bank kurzfristig lockermachen kann.
Und genau das passierte der Silicon Valley Bank, kurz bevor sie in die Klemme geriet. Sie hatte auf der Passivseite ihrer Bilanz Kontoguthaben entgegengenommen und dafür unter anderem Kredite an Hightech-Unternehmen ausgegeben beziehungsweise in Staatsanleihen auf der Aktivseite gesteckt. Letztere hatten allerdings im Laufe der Zinswende prozentual zweistellig an Wert verloren (mehr zum Anleihemarkt lesen Sie hier). Und auch in der Hightech-Szene stotterten die Prozessoren, was die Kredite unter Druck brachte. Außerdem hatte die Zentralbank durch die hochgezogenen Zinsen das Geld verknappt.
Man darf dabei nie vergessen: Ja klar, man kann Kursverluste bei Anleihen einfach aussitzen. Schließlich muss der Schuldner sie am Laufzeitende zu 100 Prozent zurückzahlen. Bei den US-Staatsanleihen wäre das also Onkel Sam. Wenn man aber gezwungen wird, sie zu verkaufen, weil verunsicherte oder klamme Gläubiger an der Kasse stehen und ihr Geld abräumen wollen, ist das … ähem … nicht so gut.
Versicherer sitzen auf stillen Lasten
Natürlich ist die Frage berechtigt, ob das auch Lebensversicherern passieren kann. Schließlich sitzen auch sie auf Milliarden-Beständen in Anleihen, die an Wert verloren haben. Aus stillen Reserven wurden somit stille Lasten.
Die gute Nachricht lautet aber: Lebensversicherer betreiben zwar ebenfalls Fristentransformation – allerdings genau in die andere Richtung. Dazu muss man erst einmal den Begriff der Duration klären. Diese finanzmathematische Kennzahl gibt an, wie stark der Wert einer Anlage steigt oder fällt, wenn das Renditeniveau fällt oder steigt. Faustregel: Je länger eine Anlage läuft, desto höher (beziehungsweise länger) ist die Duration. Bewegen sich Rendite und Wert einer Anlage in dieselbe Richtung, spricht man übrigens von einer Duration unter null (krieg man mit Derivaten hin).
Die Duration greift gleichermaßen für Anleihen und für Verbindlichkeiten. Auch deren auf heute abgezinster Zeitwert ist gesunken. Heißt: Versicherer müssen heute weniger Geld bereitstellen, um ihre künftigen Versprechen einhalten zu können, als etwa noch vor zwei Jahren. Die gestiegenen Zinsen fangen das auf.
Seite 2: Lebensversicherer mit Mut zur (Durations-)Lücke
Ditmar Gall
Vor 2 JahrenIch gebe den Versicherern keine 5 Jahre mehr, dass sie in schwierige Fahrwasser geraten. Alle Erklärungen zur Stabilität sind ohne den Wirt gemacht.
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Vor 2 JahrenIch gebe den Versicherern keine 5 Jahre mehr, dass sie in schwierige Fahrwasser geraten. Alle Erklärungen zur Stabilität sind ohne den Wirt gemacht.