Haben Meinungen zur geplanten Altersvorsorge-Reform: Jörg Asmussen (GDV, o.l.), Thomas Richter (BVI, o.r.), Norman Wirth (AfW, u.l.), Michael H. Heinz (BVK, u.r.) © GDV, BVI, AfW, BVK
  • Von Andreas Harms
  • 01.10.2024 um 17:21
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 03:15 Min

Die Bundesregierung packt es an und will die geförderte private Altersvorsorge umkrempeln. Der Referentenentwurf liegt vor, und die Branchenverbände beziehen Stellung. Auch der Vorstandschef eines Versicherers äußert sich. Wir haben wichtige Meinungen und Kritikpunkte zusammengetragen. Die meisten drehen sich um ein ganz bestimmtes Thema.

Der Referentenentwurf für die große Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge liegt vor, und die Branche äußert sich. Beifall gibt es vor allem für den sinnvollen Plan, die komplette Mechanik zu vereinfachen und speziell auf finanziell strapazierte Vorsorger zuzuschneiden (Eltern, Geringverdiener, Berufseinsteiger). Mehr zu den Einzelheiten im Entwurf lesen Sie hier.

Mehrere Branchen- und Interessenverbände gaben inzwischen ihr Urteil ab. Darin tauchen auch Kritikpunkte auf. Wir fassen hier einmal die wichtigsten Meinungen und Ansprüche zusammen.

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

Beginnen wir mit der Versicherungsbranche. Erwartungsgemäß beklagt der Branchenverband GDV den Umstand, dass neuerdings auch zeitlich begrenzte Auszahlpläne erlaubt sein sollen. „So wie die Reform gestaltet ist, bleibt die lebenslange Absicherung auf der Strecke: Altersvorsorge ist mehr als Vermögensaufbau“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Wofür sich der GDV allerdings erwärmen kann, das sind die einfachen und transparenten Produkte mit lebenslanger Auszahlgarantie, die der Staat ja auch fördern will. Auch das „beitragsproportionale Fördersystem“ (sprich: Förderung, gemessen am gezahlten Beitrag) gefällt. „Es ist gut, dass die Förderung einfacher werden soll. Das senkt die Zugangsschwellen“, meint Asmussen.

Ebenso findet es der Verband gut, dass die Pflicht zur Beitragsgarantie wegfällt und die Menschen zwischen 100 Prozent, 80 Prozent und gar keiner Garantie wählen können. Dazu Asmussen „Die Balance von Sicherheit und Rendite ist weiterhin wichtig. Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sind jedoch unterschiedlich.“

Deutscher Fondsverband BVI

Regelrecht enthusiastisch zeigt sich hingegen der Investmentverband BVI. Dessen Hauptgeschäftsführer Thomas Richter spricht von einem „Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge“. Denn wie ebenfalls absolut zu erwarten war, freut sich der Verband darüber, dass die Pflicht zur lebenslangen Leibrente wegfällt und dass die Menschen künftig in ein gefördertes Altersvorsorgedepot sparen können. „Das ist revolutionär und macht die Altersvorsorge für die Sparer attraktiv, weil sie renditestärker anlegen können“, sagt Richter. „Beitragsgarantien und lebenslange Verrentung sind teuer und schmälern die Rendite der Sparer.“

Beim BVI freut man sich über die beweglicheren Spar- und Auszahlmodelle. Und man befürwortet auch den Plan, dass Vorsorgekunden auch bei bestehenden Verträgen nachträglich auf Garantien und Verrentung verzichten können. „Die Bürger haben endlich Wahlfreiheit statt gesetzlichem Zwang“, so Richter.

Bundesverband Finanzdienstleistung AfW

Wie wir bereits berichteten, ist auch der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW vom Altersvorsorgedepot angetan. Deshalb begrüßt er auch den Gesetzentwurf. Das neue Depot stelle in Kombination mit den bisher vorhandenen Produkten, aber gelockerten Garantiemöglichkeiten eine breite Produktvielfalt sicher.

Eine Sache hält man beim Verband aber für problematisch: Nämlich, dass die Sparer beim vorgesehenen Referenzdepot „ohne qualifizierte Beratung“ selbst über ihre Anlagen entscheiden können. Weshalb er ankündigt: „Der AfW wird sich daher weiter für verbindliche Beratungsstandards einsetzen, um sicherzustellen, dass Verbraucher über eventuelle Risiken und die Chancen ihrer Anlagewahl umfassend aufgeklärt werden, so wie es der Gesetzgeber erst vor einigen Jahren und aus gutem Grund eingeführt hat.“

Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)

Ebenfalls Beifall vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), gepaart mit ein paar Anmerkungen. So einleuchtend und gut die neuen Förderregeln sind, aus Sicht des BVK sollten auch direkt alle Selbstständigen diese Möglichkeiten bekommen (im Gesetzentwurf ist das an eine eventuelle Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt).

Die Wahlfreiheit zwischen lebenslanger Leibrente und (zeitlich möglicherweise begrenztem) Auszahlplan sieht der BVK hingegen skeptisch, weil das Langlebigkeitsrisiko nicht mehr automatisch abgesichert ist. Aus Sicht des Verbands sollte Kunden daher zwingend im Vorfeld beraten werden. Das soll sicherstellen, dass die monatlichen Fixkosten im Alter auch dauerhaft abgesichert werden und die Verbraucher im hohen Alter nicht auf Grundsicherung angewiesen sind. Weshalb sich der BVK dafür einsetzen will, dass kompetente Beratung der Verbraucher sichergestellt wird (siehe auch oben beim AfW).

Stuttgarter Lebensversicherung
Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung
Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung (Foto: Stuttgarter LV)

Doch nicht nur Verbände, auch Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung, äußert sich zur Materie. Und er sieht Licht und Schatten. Dass die Riester-Rente durch die Reform erneuert wird, findet er sehr gut. Die geplante Garantiemöglichkeit von 80 Prozent auf Beiträge und Zuschüsse hält er gar für überfällig.

Aber: „Die Wahlmöglichkeit für Auszahlpläne bis zum 85. Lebensjahr halte ich für falsch. Für mich sollte eine staatlich geförderte Altersvorsorge zwingend eine lebenslange Rentenzahlung vorsehen. Alles andere ist ein fahrlässiger Umgang mit Steuergeldern. Das Langlebigkeitsrisiko muss abgesichert sein.“

Das Altersvorsorgedepot findet er hingegen in der geplanten Form recht gewagt. „Uns fehlen Sicherungsmechanismen. Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt sollte eine gewisse Grundabsicherung bieten, da Totalverluste, wie zuletzt beispielsweise bei bestimmten Russland-Fonds, leider nie völlig auszuschließen sind.“

Was er aber – sehr treffend – bemängelt, ist, dass die maximal förderbaren Beiträge nicht fortlaufend mit der Inflation mitsteigen (ein Fehler, der übrigens auch im Betriebsrentengesetz auftaucht, nun aber behoben wird). „Hier hätten wir uns eine Koppelung an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung vorstellen können“, so Bader.

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Skip to content