- Von Lorenz Klein
- 30.03.2023 um 15:04
Pfefferminzia: Herr Dr. Bader, jüngst sagten Sie in einem Pressegespräch: „Es ist mir egal, was die Banken machen.“ Sie wollten damit deutlich machen, dass Sie sich im Zuge der Zinswende keinen Zins-Überbietungswettbewerb mit den Banken liefern wollen. Es folgte das Bankenbeben in den USA und in der Schweiz, das Ihnen keineswegs egal sein dürfte. Für wie gefährlich halten Sie die aktuelle Situation für die Finanzmärkte – und letztlich auch für die Versicherungsbranche?
Guido Bader: Man muss meine damalige Aussage tatsächlich differenziert betrachten: Auf der einen Seite hatte ich die Sichtweise der Versicherer und insbesondere die Sicht der Stuttgarter geschildert. Unser Haus ist eben nicht in Konkurrenz mit den Banken getreten. Wir haben zum Beispiel nicht über die Maßen Zinsarbitrage-Geschäfte in Form von Einmalbeiträgen geschrieben. Daher haben wir bei der Stuttgarter, wie auch bei vielen anderen Versicherern in Deutschland, nicht die Sorge, dass wir einen „Run on the Bank“ bekommen werden. Sprich: Dass die Leute ihre Gelder schnell abziehen, wie es insbesondere bei den Regionalbanken in den USA der Fall ist.
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„Es ist mir egal, was die Banken machen“
Führt die Zinswende auch die deutschen Lebensversicherer in die Krise?
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich genau hingucken: Sollten die Banken eine Finanzkrise auslösen – momentan herrscht ja wieder Ruhe und die Lage scheint sich zu stabilisieren, was ich auch sehr hoffe –, so hat dies natürlich Auswirkungen auf die Kapitalanlagen der Versicherer. Und damit hätte die Versicherungsbranche natürlich wieder einen gewissen „Impact“. Stand heute würde ich aber sagen: Da, wo etwas passiert ist – bei der Silicon Valley Bank und bei ein paar Regionalbanken in den USA –, da sind die deutschen Versicherer kaum investiert. Das betrifft uns alle nur sehr, sehr wenig. Bei Credit Suisse ist es schon wieder ein bisschen anders. Aber aus Sicht der Stuttgarter bin ich auch da relativ beruhigt, weil wir weder in Aktien noch AT1-Anleihen der Credit Suisse investiert waren. Da haben wir also auch keinen negativen Impact. Aber die Börsen sind schon sehr, sehr nervös und durcheinander gerüttelt – und das macht natürlich immer was mit unseren Kapitalanlagen.
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Die auf Start-ups spezialisierte Silicon Valley Bank meldete kürzlich Insolvenz an, nachdem zuvor viele finanziell angeschlagene Start-up-Kunden ihre Einlagen dort abgezogen hatten. Halten Sie es für völlig ausgeschlossen, dass ein „Run on the bank“ auch bei Versicherungen passiert? Auf welche Warnsignale gilt es hier gegebenenfalls zu achten?
Zunächst haben wir als Versicherer, wenn wir „richtige“ Altersvorsorge betreiben, eine ganz andere Struktur bei unseren Verpflichtungen. Die Banken haben sogenannte Deposits, also kurzfristige Einlagen, die die Bankkunden schnell abziehen können. Die ganzen Start-ups werden ja in der Regel mit Geld ausgestattet, das sie nach und nach verbrauchen – man spricht hier auch von „Burndown“. Das ganze Geld, das die Start-ups durch die Finanzierungsrunden bekommen, transferieren sie dann beispielsweise zur Silicon Valley Bank. Und wenn Kunden Panik kriegen, dass die Bank ausfallen könnte, dann holen sie von heute auf morgen ihr Geld zurück.
Bei uns Versichern sieht das anders aus: Wir haben Riester-Verträge, wir haben betriebliche Altersversorgung, wir haben Basisrenten – da holt man nicht so schnell das Geld zurück. Wir haben dann immer auch Storno-Abzüge. Und die sind in so einer Situation auch genau richtig, so dass die Kunden nicht kurzfristig an ihr Geld rankommen. Es sei denn – und da schließt sich wieder der Kreis: Ich versuche als Versicherer Bank zu spielen – mit Parkdepots und kurzfristigen Geldanlagen. Dann habe ich vielleicht ein Problem. Und diese Versicherer sollten auch sehr, sehr genau auf das Abziehen von Geldern achten.
Allerdings sind wir Versicherer an der Stelle doch deutlich resilienter, weil einfach der Zeitablauf, wie die Kunden an ihr Geld kommen, ein ganz anderer ist und wir de facto auch keine Schieflage haben momentan. Die deutschen Versicherer sind extrem stabil. Die Solvabilität hat sich durch den Zinsanstieg sogar nochmal deutlich verbessert – und die Kunden müssen keinerlei Sorge haben, dass sie nicht an ihr Geld rankommen.
Das Stornoniveau der Lebensversicherer bewegt sich seit Jahren bei knapp über 4 Prozent – auch die Corona-Pandemie hatte nichts daran geändert. Trotzdem ist ein Massenstorno nicht völlig auszuschließen, oder? Welche Szenarien müssten eintreten, damit es dazu käme?
Wir sollten zunächst einmal die Auswirkung eines Massenstornos diskutieren. Wir haben natürlich auf unserer Aktivseite, bei den festverzinslichen Wertpapieren, massive stille Lasten, wie es die Silicon Valley Bank letzten Endes durch den Zinsanstieg auch hatte. Was passiert nun, wenn bei uns Kunden ihre Gelder abrufen? Viele Versicherer haben in den letzten Jahren gar kein Klassikgeschäft mehr gezeichnet, sondern wir sprechen da über ältere Klassikverträge, die sich im Bestand befinden und storniert würden. Dieses ältere Klassikgeschäft hat aber massiv die sogenannte Zinszusatzreserve gebildet. Sprich: Wenn Kunden aus einem ein altem 2,25 Prozent-, 3,5 Prozent oder 4 Prozent-Vertrag Geld abrufen – was passiert bei uns? Wir müssten vielleicht mit Verlust Kapitalanlagen verkaufen. Gleichzeitig wird aber diese Zusatzrückstellung – die Zinszusatzreserve – frei. So dass ein solches Szenario den Versicherern bilanziell erstmal gar nichts ausmacht. Wir sind da tatsächlich durch das Instrument der Zinszusatzreserve geschützt.
Es sei denn?
Es sei denn, ich habe als Versicherer in den letzten zwei bis drei Jahren massiv Einmalbeiträge gezeichnet mit einer geringen Garantie, bei der ich noch keine Zinszusatzreserve gebildet habe. Der nächste Schritt ist zu schauen, welche Art von Storno vorliegt. Das Storno, von dem Sie sprachen – besagte 4 Prozent –, das ist das Beitragsstorno. Wenn ein Kunde beitragsfrei stellt, habe ich als Versicherer aber erstmal noch gar keinen Mittelabfluss – und ein guter Teil dieses Stornos sind tatsächlich Beitragsfreistellungen. In der Corona-Pandemie waren die Leute zunächst verunsichert, sie haben erstmal ihre Verträge beitragsfrei gestellt – und später sind sie wieder eingestiegen. Diese Art von Storno tut mir als Versicherer noch nicht weh. Erst wenn ich tatsächlich massiv Rückkäufe habe und merke die Rückkäufe steigen deutlich an bei den Einmalbeiträgen, die ich die letzten drei oder vier Jahre gezeichnet habe, dann sind dies Warnsignale – und dann muss der Versicherer dafür sorgen, die notwendige Liquidität rechtzeitig zu beschaffen. Momentan sehen wir aber davon in der Branche noch nichts.
Wie Guido Bader außerdem über ein drohendes Provisionsverbot in der Anlageberatung denkt und in welchen Geschäftsfeldern die Stuttgarter weiter wachsen will, erfahren Sie, wenn Sie sich das Interview im Pfefferminzia Podcast „Die Woche“ anhören.
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