- Von Andreas Harms
- 21.09.2022 um 19:28
Das hat man auch nicht alle Tage: Der Bund der Versicherten (BdV) zeigt sich mit der Arbeit der deutschen Lebensversicherer zufrieden. „Die deutschen Lebensversicherer sind auf die Niedrigzinsphase gut vorbereitet und weisen überwiegend eine ausreichende Solvenz aus“, meldet er und bezieht sich damit auf die Solvabilitätsberichte von 78 Unternehmen. Die hat der BdV auch dieses Jahr zusammen mit Zielke Research Consult ausgewertet. Darunter sind 57 normale Lebensversicherer, 11 Lebensversicherer im Run-off und 10 mit hauptsächlich biometrischem Geschäft.
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Dabei hat Zielke Research Consult die ausgewiesenen Solvenzquoten um Sondermaßnahmen bereinigt und eine sogenannte reine Solvenz ermittelt. Dort ist auch versprochenes, aber nicht eingezahltes Eigenkapital herausgerechnet. Als weitere Kennzahl errechneten die Analysten die „reine Solvenz ohne Kundengelder“. Die muss ohne Überschüsse auskommen (die laut BdV ohnehin den Kunden zustehen).
Insgesamt zeigt der Trend nach oben, denn im Vorjahr hatten noch 20 Häuser bei der reinen Solvenz die Hürde gerissen. Diesmal sind es nur noch acht. Ohne Kundengelder reißen übrigens 22 Unternehmen die Solvenz-Hürde von 100 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 42.
Und nachdem die Analysten im Vorjahr noch 23 Unternehmen generell als angezählt werteten, sank diese Zahl jetzt auf 13. Angezählt heißt, dass Versicherer entweder die Hürde für die reine Solvenz reißen oder nicht profitabel genug sind und deshalb Verluste erwarten.
Gewinne: Nicht zu hoch und nicht zu niedrig
Damit geht es mit den Gewinnen weiter. Die sollten laut BdV und Zielke Research Consult nicht zu hoch und nicht zu niedrig sein. Drohen Verluste, stellt sich die Frage, ob das Geschäftsmodell überhaupt tragfähig ist. Das ist diesmal bei neun Unternehmen der Fall (Vorjahr: 18). Vier davon gehören zu den Run-off-Unternehmen. Akzeptabel ist indes die Gewinnaussicht bei zwölf Unternehmen (Run-off-Versicherer ausgeschlossen).
Und hier sind dazu ein paar Namen. Während alle geprüften Versicherer bei der offiziellen Solvenz die geforderten 100 Prozent erreichen, haben diese vier mit der reinen Solvenz Probleme:
- DEVK LV-AG
- Ergo LV AG
- Öffentliche LVA Oldenburg
- Süddeutsche LV a.G.
Mit Verlusten müssen diese Häuser rechnen:
- Bayerische Beamten LV a.G.
- Frankfurter Leben AG
- Nürnberger Beamten LV AG
- Sparkassen-Versicherung Sachsen LV AG
- Universa LV a.G.
Und gleichermaßen Probleme mit Verlust und reiner Solvenzquote haben:
- DEVK LV a.G.
- Frankfurt Münchener Leben AG
- Landeslebenshilfe V.V.a.G.
- Postbank LV AG
Darüber hinaus seien die Berichte vergleichsweise transparent, lobt der Verband. „Das ist sehr erfreulich, die Versicherungsgesellschaften haben hier ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Axel Kleinlein, Versicherungsmathematiker beim BdV. In den vergangenen Jahren hatte der Verein oft mangelnde Transparenz moniert. Allerdings haben einige größere Unternehmen in dieser Hinsicht entgegen dem Trend die Transparenz zurückgeschraubt, zum Beispiel die Allianz.
Als Musterkandidat steht hingegen die Axa Leben da. Die ausgewiesene Solvenz liegt bei 384 Prozent, die reine immerhin bei 164 Prozent. Die erwartete Profitabilität soll bei 17,5 Prozent liegen, und bei der Transparenz stimmt auch das meiste.
Probleme mit steigenden Zinsen
Soweit sieht also einiges ziemlich gut aus. Allerdings kippt der BdV dann doch noch Wasser in den Wein. Nämlich wenn es um die steigenden Zinsen geht. Denn so schön das für Neuanlagen auch ist, die Kurse von Anleihen sind erst einmal rekordverdächtig stark eingebrochen (den Zusammenhang erklären wir hier).
Die Unternehmen selbst gefährdet das in Hinblick auf die Solvenzquoten nicht, heißt es im Bericht. Allerdings entstehen durch die gesunkenen Kurse stille Lasten bei den Versicherern (hier einige Beispiele). Damit sei mit zwei Effekten zu rechnen:
- Die Beteiligung der Versicherten an stillen Reserven nimmt weiter ab. Damit werden die Verträge unrentabler.
- Die Versicherer sind noch stärker darauf angewiesen, Geld aus der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) als Eigenmittel zu verwenden. Aber dann sinkt die Überschussbeteiligung.
Vorteile durch die gestiegenen Renditen werden die Versicherten hingegen erst sehr spät bekommen. Denn viele Versicherer haben die Restlaufzeiten der Anleiheportfolios an die Rückzahltermine der Verträge angepasst. Es wird also während der Vertragslaufzeiten kaum Geld fällig, das die Versicherer für höhere Renditen anlegen können. Oder wie es der BdV ausdrückt:
Auf absehbare Zeit führen steigende Zinsen zu niedrigeren Überschüssen ohne Chance, dass Versicherte an höheren Zinsen partizipieren können.
Die Berichte mit allen Zahlen können Sie hier herunterladen.
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