Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan AM: „Zinsen unter der Inflationsrate werden uns noch viele Jahre begleiten“ © J.P. Morgan AM
  • Von Andreas Harms
  • 07.09.2022 um 10:30
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Tilmann Galler ist Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft J.P. Morgan Asset Management. Im Gespräch erklärt er, was die heutige Inflation von jener in den 70er-Jahren unterscheidet, wie man sich für die Altersvorsorge aufstellen sollte und was viel wichtiger ist als das berühmte Markt-Timing.

Die da wären?

Aktien, Infrastruktur und Immobilien. Das sind Anlageklassen, in denen steigende Preise auch weitergegeben werden können. Bestes Beispiel sind in diesem Jahr Unternehmen, die ihre hohen Margen trotz steigender Rohstoff- und Lohnkosten verteidigen konnten. Und auch wenn die Kurse bisher zurückgegangen sind, die Unternehmensgewinne werden langfristig nach unserer Einschätzung weiter steigen.

Über was für Unternehmen reden wir dabei?

Es sind unter anderem Unternehmen, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen wie Rohstoff- und Energieunternehmen. Aber auch die Pharma- und Biotech-Branche. Sie sind sehr gut in der Lage, steigende Preise weiterzugeben. Schwer werden es dagegen all diejenigen haben, die nicht so starke Marken haben oder sehr nahe am Endkunden sind. Finanzwerte profitieren davon, dass die Ära der Negativzinsen zu Ende geht. Und die ersten Zinserhöhungen gehen fast direkt in die Marge der Banken hinein. In der Summe hat sich die fundamentale Situation für Value-Aktien und dividendenstarke Titel deutlich verbessert.

„Wir haben gesehen, wie schnell politische Risiken heutzutage entstehen können“

Nun reden wir bei Altersvorsorge nicht von kurzfristigen Manövern, sondern können gut einen Dauerbrenner gebrauchen. Gibt es das?

Auf Sicht von 20 Jahren und länger sollte man in der Tat nicht mit solchen Feinheiten kalkulieren. Die Hausse der Wachstumstitel hat ungefähr zwölf Jahre gedauert, davor liefen acht Jahre die Substanztitel, also Value. Man kann vielleicht leichte Schwerpunkte setzen, aber den größten Sinn ergibt auf lange Sicht definitiv eine globale, sehr breite Streuung. Dabei schließe ich auch die Schwellenländer mit ein, nicht nur die Industrienationen. Wir haben gesehen, wie schnell politische Risiken heutzutage entstehen können. Deshalb sollte man Geld wirklich so breit wie möglich verteilen.

Und drin bleiben, richtig?

Genau. Vor einigen Jahren drückte es mein Chef mal so aus: Bei Aktien geht es nicht um Market-Timing, sondern um „Time in the Market“. Es gibt immer wieder Anleger, die den Tiefpunkt erwischen wollen. Aber das klappt in den meisten Fällen nicht. Und über längere Zeiträume erzielen selbst die, die auf Höchstständen eingestiegen sind, trotzdem eine ordentliche Rendite. Das Wichtigste ist, investiert zu bleiben.

„Bei Immobilien ist es wie bei Anleihen: Preise hoch, Renditen niedrig“

Zu Immobilien. Sind die jetzt eher ein heißes Pflaster, weil die Preise sinken, oder ziemlich toll, weil die Mieten mit der Inflation mitgehen?

Eine knifflige Frage. In den 70er-Jahren lieferten Immobilien mit den besten Schutz vor Inflation. Aber jetzt haben wir ja eine andere Situation, weil die Preise viel höher liegen als damals. Es ist ähnlich wie bei den Anleihen: Preise hoch, Renditen niedrig. Deshalb finden wir Immobilien grundsätzlich gut, aber in einigen Bereichen könnte es schwierig werden.

Also weiterhin ein bisschen vorsichtig bleiben?

Ja, gerade auf Märkten wie zum Beispiel Frankfurt, Hamburg und München. Und insgesamt gilt auch hier: Ausgewogen vorgehen und breit streuen. Gern auch über Europa hinaus, nach Asien zum Beispiel. Das ist immer ein wichtiger Punkt in der Altersvorsorge: Breit streuen und darauf achten, dass keine Unwucht im Vermögen enthalten ist.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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