- Von Achim Nixdorf
- 01.07.2021 um 18:41
Sparer wagen zwar auch hierzulande immer öfter den Weg an die Börse, im internationalen Vergleich ist die deutsche Aktienquote aber nach wie vor sehr gering. Warum ist das so? Dieser Frage sind Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Universität Bonn jetzt nachgegangen. Ihre Erkenntnis: Auch 20 Jahre nach dem ersten Börsengang der Telekom investieren Kleinanleger, die den damaligen Kursabsturz der T-Aktie miterlebt haben, zu 60 Prozent seltener in Wertpapiere als jüngere Haushalte.
„Der Kurssturz der T-Aktie hat die Aktienmüdigkeit der Deutschen bis heute verstärkt. Dies ist fatal für den langfristigen Vermögensaufbau, vor allem bei der Altersvorsorge“, sagt Studienautorin Chi Hyun Kim von der Universität Bonn.
Immer mehr Sparer gehen an die Börse
Börsen können mehr als crashen
Wie man seine Ersparnisse mit Aktien vor Kaufkraftverlust schützt
Zur Erinnerung: Mit drei Börsengängen Ende der 1990er Jahre wollte das ehemalige Staatsunternehmen Deutsche Telekom – flankiert von einer massiven Werbekampagne – eine zuverlässige Aktie für die breite Bevölkerung etablieren. Doch das Platzen der New-Economy-Blase und unternehmerisches Missmanagement schickten die T-Aktie im Jahr 2000 auf Talfahrt. Die Folge: Als der Kurs von umgerechnet 100 auf 10 Euro abstürzte, mussten viele Kleinanleger herbe Verluste hinnehmen, was nicht nur ihr Vertrauen in den Staat, sondern auch das allgemeine Vertrauen in Aktienanlagen erschütterte.
Bis heute hätten viele Menschen diesen Schock nicht verdaut, stellt das DIW fest und beruft sich dabei auf Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Nicht nur die Aktienquote sei danach gesunken und liege bis heute bei lediglich 25 Prozent. Auch hielten Haushalte, deren Vorstände damals mindestens 20 Jahre alt waren, jetzt signifikant seltener Aktien als jüngere Haushalte. Der Börsencrash habe also langfristig Spuren hinterlassen.
„Hoffnung auf schnellen Reichtum“
Nach Einschätzung von DIW-Studienautor Alexander Kriwoluzky deuten zwar neuere Zahlen auf eine allmähliche Trendwende hin. Steigende Aktienkurse und der leichtere Zugang zum Börsenhandel durch Smartphones und Apps verleiteten vor allem jüngere Menschen zum Aktieninvestment. Doch löse dies nicht das grundsätzliche Problem.
„Viele gehen kurzfristig riskante Anlagen ein wie Masseninvestments bei Gamestop. Scheitern diese Investments, die häufig aus dem Bauch heraus mit der Hoffnung auf schnellen Reichtum getroffen wurden, ist die Gefahr groß, dass diese Personen nicht mehr auf Aktien für den langfristigen Vermögensaufbau setzen“, ist Kriwoluzky überzeugt.
Die Gefahr von neuerlichen Crashs, wie jüngst bei Wirecard, kann nach Ansicht des Experten nur durch eine bessere Regulierung und eine strengere Finanzmarktaufsicht reduziert werden. „Außerdem brauchen wir eine breitere finanzielle Bildung schon in der Schule sowie transparente und allgemeinverständliche Informationen für Kleinanleger.”
Weitere Ergebnisse der DIW-Studie finden Sie hier.
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