Rentner spielen Boccia in einem Park in Hameln. © dpa/picture alliance
  • Von Redaktion
  • 24.05.2016 um 20:13
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 06:05 Min

Der Wahlkampf zum Thema Rente ist in vollem Gange. Und unerträglich, findet Altersvorsorge-Spezialist Frank Breiting. Er nimmt sich die einzelnen Wahlkampfparolen vor – Riester ist gescheitert, Riester ist zu teuer, Die Deutschland-Rente wird es richten, Riester-Förderung in die Gesetzliche Rente umleiten – und rechnet damit ab. Und präsentiert am Ende seines Kommentars fünf Lösungen, wie man das Thema Altersvorsorge in Deutschland wirklich verbessern könnte.

Wir erleben nun eine Phase des Wahlkampfs, in der Langfristigkeit und Verantwortungsgefühl bei vielen politischen Akteuren vollständig verkümmert, da der Planungshorizont vorerst am Wahlabend endet. Zwar wird vermeintlich so getan, als wolle man das Rentensystem verbessern, allerdings ist man sich in Berlin darüber im Klaren, dass man in den wenigen aktiven Monaten, die der Regierungskoalition noch bleiben, wohl nicht den großen visionären und umfassenden Kompromiss wird finden können.

Das Rententhema ist opportun, da es hilft, andere und eher unangenehme Themen aus dem Kopf der Wähler und aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Jetzt geht es um platte und wahlkampftaugliche Aussagen, eingängige Slogans und eingängige Statements für TV-Debatten und Veranstaltungen auf allen Marktplätzen der Republik. Lassen Sie uns einiger dieser Plattitüden mal auf den Prüfstand stellen:

Wahlkampfparole 1: Riester ist „gescheitert“

Ein Produkt, das mittlerweile 16 Millionen Abnehmer gefunden hat, ist urplötzlich „gescheitert“. In dieser Pauschalität ist das Argument eine reine Nebelkerze, die aber auf Wahlkampfplakaten gut aussieht, da sie wenige Worte hat und sich kaum einer traut, zu widersprechen.

Wahlkampfparole 2: Riester ist zu teuer und gehört abgeschafft

Sämtliche Produktangebote über einen Kamm zu scheren und von allen Produkten aus fünf Bereichen der Finanzdienstleistung zu behaupten, sie seien zu teuer, mag populär sein und wird deswegen gerne wiederholt und mittlerweile – leider – unwidersprochen hingenommen. Allerdings ist das noch nicht einmal eine politische Forderung – es ist vielmehr vor allem eine politische Bankrotterklärung.

Seit 2001 hätte man für Transparenz sorgen oder gar festlegen können, ab welcher Kostenbelastung ein Produkt als „zu teuer“ gilt oder unterhalb welcher Grenze ein Produkt als günstig bezeichnet werden kann. Geschehen ist das in gleich mehreren Legislaturperioden nicht. Stattdessen hat es jede Regierung geschafft, Riester mal um mal komplexer zu machen. Berufseinsteiger werden lediglich mit einer einmaligen Zulage gefördert, zur Ankurbelung des Wohnungsbaus kann man Gelder aus Riester-Verträgen entnehmen, was Anbieter dazu zwingt, parallel zum eigentlichen Vertrag zusätzlich noch „Wohnförderkonten“ zu führen.

Auch in der bAV ist riestern möglich, was steuerlich aber extrem komplex abzuwickeln ist und für den Arbeitnehmer unattraktiv wegen der doppelten Krankenversicherungsbelastung. Vermögenswirksame Leistungen in Form von Altersvorsorgewirksamen Leistungen (AVWL) gehen über Riester ebenfalls, aber auch das nicht flächendeckend, sondern nur über bestimmte Tarifverträge. Für ein „Fitzelchen“ der Riester-Beiträge darf dann auch noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)  „integriert“ werden, was angesichts der geringen Durchschnittsbeiträge weder das Renten- noch das BU-Problem des Kunden löst.

Übertragen darf man das dann alles auch noch – über fünf Anbietergruppen hinweg, die bis dato nie gemeinsame Schnittstellen hatten. Und im Scheidungsfall wird über den Versorgungsausgleich dann auch noch alles fein säuberlich geteilt und Vermögen aus Betriebsrenten landen in Riester-Verträgen, was die Komplexität zusätzlich steigert.

Und lediglich am Rande zu erwähnen wären dann auch noch weitere Bürokratiemonster wie der bei allen Anbietern allseits beliebte Zungenbrecher „Beitreibungsrichtlinienumsetzungsgesetz“ … Nichts davon haben Verbraucher, Versicherer, Banken oder Fondsanbieter gefordert, sich gewünscht oder gar in die Produkte einkalkuliert. Mittlerweile gibt es kein Produkt in der Altersvorsorge, das noch komplexer ist. Keines!

Der Staat hat in puncto Komplexität damit in nicht einmal 15 Jahren geschafft, was selbst alteingesessene Anbieter in hundert Jahren nicht vollbracht haben. Und nun beklagt die Politik die Mängel des eigenen Konstrukts. Statt diese aber anzugehen und Lösungen anzubieten wirbt man für die „Abwicklung“ und hat sogar die Chuzpe, gleichzeitig mir einer „Deutschland-Rente“ ein neues staatliches Konstrukt auf der grünen Wiese zu errichten, weil der Staat sich gerade als guter Entwickler einfacher und handlicher Produkte dafür qualifiziert hat.

Nun will man also 16 Millionen Riester-Sparern erklären, man lege das Thema ad acta und schaffe lieber etwas ganz Neues. Das spricht weder für politisches Verantwortungsbewusstsein, noch für den Willen, auch für Sparer, die so vernünftig waren, etwas für das Alter zurück zu legen, das Richtige zu tun. Denn das bedeutet Detailarbeit und mühsame Suche nach Kompromissen. Und damit werden die Texte und Erklärungen zu lang für Aufkleber, Luftballons und Kugelschreiber am Wahlkampfstand.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Skip to content