- Von Andreas Harms
- 09.02.2023 um 13:12
Das war irgendwie logisch: Der Bund der Versicherten (BdV) zeigt sich davon angetan, dass die Finanzaufsicht Bafin Lebensversicherer und deren Produkte stärker überwachen will. Speziell in dem heiß umstrittenen, aber noch nicht gültigen Merkblatt zu den „wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ sehen die Verbraucherschützer „viele positive Elemente“.
Die Bafin hatte das Papier Ende Oktober vorgestellt. Insbesondere will sie demnach Lebensversicherer genauer prüfen, die durch überdurchschnittlich hohe Provisionen an Vermittler auffallen. Und sie verlangt, dass Produkte zur Altersvorsorge Renditen oberhalb der langfristig erwarteten Inflation erbringen. Realen Anlageerfolg nennt sie das. Sollte der nicht möglich sein, müssen die Anbieter eben die Kosten senken, so die Bafin. Mehr zum Inhalt des Merkblatts lesen Sie hier.
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Der BdV indes mag vor allem folgende neuen Ansätze, um den Kundennutzen einer Lebensversicherung zu bewerten:
- Storno-Quote berücksichtigen
- Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Lebensversicherer und Vertriebe offenlegen
- Zielmarkt in „ausreichender Detailtiefe“ für den Vertrieb bestimmen
- Frontlastigkeit der Abschlussprovisionen und ihren Einfluss auf die Rendite, insbesondere bei vorzeitigem Vertragsende
- Inflation beim realen Anlageerfolg mit berücksichtigen
- Nachweis von erhöhtem Kundennutzen bei unterschiedlichen Vergütungen desselben Produktes einschließlich möglicher verstärkter Interessenkonflikte im Vertrieb
„Wir bekommen den Eindruck, dass die Bafin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke.
Der Verband hat sich ebenfalls an der öffentlichen Diskussion zum Merkblatt beteiligt (wobei die Stellungnahme auf den 13. Januar datiert ist, zwei Tage vor Ende der Konsultation). Dabei merkt er an, dass der Entwurf seiner Meinung nach zu viele Fragen offenlässt. Auch hier wieder einige Beispiele:
- Die im Merkblatt unterstellte Inflationsrate liegt bei 2 Prozent. In den Augen des BdV ist das zu wenig.
- Koppelpunkte wie zum Beispiel die Berufsunfähigkeitsversicherung als Zusatzversicherungen bleiben außen vor. Der BdV stellt deren Nutzen aber grundsätzlich infrage.
- Effektivkosten sollen weiterhin als Kennziffer für Renditeprognosen herhalten. Laut BdV führt das aber in die Irre, solange die angenommenen Renditen nicht offengelegt werden. Besser findet der Verband die Kennzahl „Reduction in Wealth“. Sie vergleicht direkt die prognostizierten Auszahlbeträge vor und nach Kosten.
- Der Aspekt Storno-Quote lässt jene Verträge außen vor, die man gar nicht vorzeitig beenden oder kündigen kann. Zum Beispiel Basisrenten, die man nur beitragsfrei stellen kann. Deshalb müsse man auch solche Maßnahmen mit einer Kündigung gleichstellen.
Vor allem bemängelt der Verband jedoch, dass die Bafin nicht erklärt, wie sie die Lebensversicherer denn nun konkret intensiver überwachen will. Und was passiert, wenn einer von ihnen gegen die Anforderungen verstößt. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, befürchtet Rehmke. Auf zwei Fragen heruntergedampft bedeutet das:
- Was folgt aus Verstößen gegen Wohlverhaltensvorschriften?
- Ab wann beziehungsweise bei welchen Verstößen werden wirksame Sanktionen (Vertriebsverbote, etc.) gegen die Versicherer und Vertriebe verhängt?
Die einschlägigen Lobbyverbände sehen das Ganze naturgemäß ein wenig anders, zum Beispiel hier, hier und hier. Einen entsprechenden Seitenhieb kann sich Stephen Rehmke nicht verkneifen: „Die Kommentare der Vertrieblerverbände und der Versichererlobby sind an Halsstarrigkeit kaum zu überbieten. Wenn sie das Handeln der Finanzaufsicht und geltendes Unionsrecht in die Nähe eines Verfassungsbruchs verorten, schlagen sie eine bedenkliche Tonalität an.“
Die gesamte Stellungnahme des BdV können Sie hier herunterladen.
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