Außenfahrstuhl an Altbau (Symbolbild): Geeignetes Mittel, um Barrieren abzubauen © picture alliance / imageBROKER | Manfred Bail
  • Von Andreas Harms
  • 09.02.2024 um 12:57
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Wie weit darf man gehen, wenn man eine Immobilie behindertengerecht umbauen will? Darüber hatte der Bundesgerichtshof in zwei Fällen zu entscheiden. Er stellte sich beide Male auf die Seite der Befürworter und füllt damit das im Jahr 2020 renovierte Wohnungseigentumsgesetz mit Leben. Denn das soll genau solche Baumaßnahmen erleichtern.

Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt in zwei neuen Urteilen all jenen Rückendeckung, die Wohnungen oder Häuser behindertengerecht umbauen wollen oder sogar müssen. Grundlage ist das im Jahr 2020 renovierte Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Denn das soll insbesondere Maßnahmen vereinfachen, die Hindernisse, sogenannte Barrieren beseitigen.

In den beiden nun veröffentlichten Fällen ging es darum, solche Barrieren in bestehenden Immobilien abzuschaffen. Doch jedes Mal gab es Gegner, die gerichtlich gegen solche Umbaumaßnahmen vorgehen wollten.

Fall 1 (V ZR 244/22): Der Fahrstuhl

Ein Gesamtobjekt in München besteht aus einem Vorderhaus mit preisgekrönter Fassade und einem etwas weniger schicken Hinterhaus. Das Treppenhaus dort ist eng, weshalb einige Bewohner außen einen Personenaufzug anbauen lassen wollten. Denn so etwas gab es bislang nur am Vorderhaus.

Doch auf der Eigentümerversammlung sträubten sich einige Teilnehmer, sodass der Antrag abgelehnt wurde. Die Antragsteller klagten daraufhin, um ihr Vorhaben doch noch durchsetzen zu können. Das Amtsgericht lehnte das ab. Dagegen gingen die Kläger erfolgreich am Landgericht in Berufung. Doch die Beklagten gingen wiederum dagegen in Revision. Womit der Fall beim BGH landete.

Der wies die Revision zurück und stellte sich auf die Seite der Fahrstuhlbefürworter. Die Grenzen einer zulässigen Bebauung würden eingehalten, heißt es dazu. Noch etwas wichtiger ist aber die Aussage zum Sinn und Zweck: „Die von den Klägern erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient (Paragraf 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG)“, lässt der BGH verlauten.

So ein Aufzug werde die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten, heißt es weiter. Und dann verweisen die Richter auf eine bestimmte Stelle im 2020 erneuerten Wohneigentumsrecht, die speziell Behinderten das Leben erleichtern soll: „Der von dem Gesetzgeber im gesamtgesellschaftlichen Interesse erstrebten Privilegierung bestimmter Kategorien von Maßnahmen – unter anderem zur Förderung der Barrierefreiheit – ist bei der Prüfung, ob eine grundlegende Umgestaltung vorliegt, im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen.“ Heißt auf Deutsch: Wer Barrieren abbauen will, wird in der Frage nach grundlegender Umgestaltung bevorzugt.

Zum Urteil geht es hier entlang.

Fall 2 (V ZR 33/23): Die Terrasse

Zu einem Objekt aus drei verbundenen Häusern gehört eine Gartenfläche, auf der die Bewohner der Erdgeschosswohnungen Terrassen mit bestimmten Maximalmaßen bauen dürfen. Einer solchen Bewohnerin erlaubte die Eigentümerversammlung, ausnahmsweise eine auf 65 Zentimeter erhöhte Terrasse nebst einer Rampe anzulegen und das Doppelfenster durch eine verschließbare Tür zu ersetzen.

So weit, so sinnvoll. Doch einige Miteigentümer wollten das nicht hinnehmen. Weshalb sie den Beschluss per Klage anfochten. Das Amtsgericht stellte sich auf ihre Seite und erklärte den Beschluss für ungültig. Die andere Seite legte Berufung ein, aber ohne Erfolg. Damit wären Terrasse und Rampe gekippt.

Doch die Bewohnerin ging erfolgreich in Revision, denn der BGH kassierte das Berufungsurteil ein und wies die Anfechtungsklage ab. Damit ist der Weg für Terrasse und Rampe wieder frei.

Auch in diesem Fall geht es um die Frage, welche Umbaumaßnahmen angemessen sind. Folglich führen die BGH-Richter das erneuerte WEG ins Feld. „Die Neuregelung dient unter anderem dem Zweck, den baulichen Zustand von Wohnungseigentumsanlagen leichter verbessern und an sich ändernde Gebrauchsbedürfnisse der Wohnungseigentümer anpassen zu können“, stellen sie fest. Demnach können Wohnungseigentümer „bauliche Veränderungen“ mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen, wenn sie bestimmte Grenzen beachten.

Wie in Fall 1 sehen die Richter keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage. Weshalb das Vorhaben, Barrieren abzubauen, Vorrang bekommt: „Da die von den Wohnungseigentümern hier beschlossene bauliche Veränderung ihrer Kategorie nach dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dient (Paragraf 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG), bedürfte es besonderer Umstände, um eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage anzunehmen. Hieran fehlt es.“

Zum Urteil geht es hier entlang.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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