- Von Andreas Harms
- 12.11.2024 um 10:44
Zum Glück hat sich das Kind nicht verletzt. Schließlich ist es ungebremst mit dem Fahrrad in ein Auto gefahren. Ein Mädchen im Alter von sieben Jahren. Doch das Auto ist beschädigt.
Was ist geschehen?
Ein Ehepaar gelangt an einem Regentag mit dem Auto an eine gleichrangige, unübersichtliche T-Kreuzung. Der Ehemann sitzt am Steuer. Er prüft, ob von rechts jemand kommt, und fährt dann auf die Kreuzung. In dem Augenblick kommt das Kind auf dem Fahrrad von links und fährt in die Fahrerseite. Und das, obwohl der Mann noch hupt. Am Auto entsteht ein Schaden von insgesamt 5.720,20 Euro.
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Damit steht die Frage im Raum, ob die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Das will auch die Ehefrau des Fahrers herausfinden, indem sie gegen den Vater klagt. Die Frau saß beim Unfall auf dem Beifahrersitz. Die private Haftpflichtversicherung des Vaters hat vorgerichtliche Ansprüche bereits abgelehnt. Sie findet nicht, dass die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben – und damit ist das für sie auch kein Schadenfall (mehr über die Rolle von Kindern in der Haftpflicht lesen Sie hier).
Das Landgericht Ingolstadt sieht das auch so und weist die Klage als unbegründet ab (Aktenzeichen: 72 O 516/23 V). Denn auch die Richter dort sind nicht der Meinung, dass die Eltern besser hätten aufpassen müssen.
Die Vorgeschichte
Zunächst stellt das Gericht klar: „Der Maßstab der Aufsichtspflicht bei Minderjährigen bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie dem örtlichen Umfeld.“
Somit geht es auch hier darum, wie die Lage war und ob das Kind selbstständig hätte Fahrrad fahren dürfen.
Erziehungsberechtigte müssen laut Gericht die Kinder über Gefahren und Regeln des Straßenverkehrs aufklären, damit diese dann selbstständig Fahrrad fahren dürfen. Doch dann und nach einigen beaufsichtigten Proben müssten sie schulpflichtige Kinder eben nicht mehr ständig überwachen. Ganz im Gegenteil gehört es sogar dazu, dass „ein Kind auch altersgerecht angepasste Gelegenheiten bekommt, sich ohne ständige Beobachtung, Kontrolle und Anleitung selbst im Verkehr zu bewähren“. Fördern und fordern sozusagen.
Das Mädchen war zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alt und besuchte die Grundschule. Sie fuhr schon Fahrrad, seit sie drei Jahre alt war. Und sie hatte bereits mit fünf Jahren an weiten Fahrradausflügen mit den Eltern und an mehreren Verkehrserziehungen in der Vorschule teilgenommen. Mit den zu fahrenden Strecken – auch an der Unfallstelle – war sie ausreichend vertraut, erkannte das Gericht.
Aufsichtspflicht nicht verletzt
Weshalb es in diesem Fall die elterliche Aufsicht als angemessen empfand. Stattdessen handele es sich bei dem Unfall um „ein Augenblicksversagen“ des Kindes. Allein vom Alter des Kindes auf dessen Verkehrstauglichkeit zu schließen, greift offenbar zu kurz.
Bleibt nur die Frage, ob das Kind auf dem Gehweg hätte fahren müssen. Schließlich fuhr es auf der Straße. Auch darauf ging das Gericht ein. Laut Straßenverkehrsordnung müssen Kinder zwar bis zum achten Geburtstag grundsätzlich auf dem Gehweg fahren (Paragraf 2 Absatz 5). An der Unfallstelle gab es aber nur auf einer Seite einen schmalen Gehweg, und auch der hörte an der Kreuzung komplett auf. Das Kind konnte nur auf die Straße ausweichen.
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