- Von Andreas Harms
- 10.03.2022 um 15:33
Trotzdem treten immer wieder Probleme auf, wenn Versicherer zahlen sollen. Wunderlin schätzt, dass das bei mindestens einem von drei Fällen vorkommt. Einer der wichtigsten Gründe dafür wird an dem Beispiel vom Anfang deutlich. Denn Laura Hendel ist noch nicht sieben Jahre alt und damit deliktunfähig, wie das auf Amtsdeutsch heißt. Ein Kind muss nämlich bis zu diesem magischen Alter nicht für seine Taten einstehen, sofern seine Eltern es ausreichend beaufsichtigt haben.
Für den „fließenden Straßenverkehr“ reicht die Deliktunfähigkeit sogar bis zu einem Alter von zehn Jahren. Als Ausnahme gilt es, wenn das Kind absichtlich handelt. Wenn es aber gar nicht haften kann und die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind, dann gibt es auch keinen Haftpflichtfall. Und so weigert sich auch Axel Hendels Versicherung zu zahlen.
Die Sache mit der Deliktunfähigkeit
Die gute Nachricht: In vielen Tarifen sind die Taten deliktunfähiger Kinder inzwischen ausdrücklich eingeschlossen. Oder der Versicherer verzichtet darauf, sich auf Deliktunfähigkeit zu berufen. Allerdings muss man das im Vorfeld im Kleingedruckten überprüfen, um sicherzugehen. In der Franke-und-Bornberg-Datenbank trifft das auf mindestens 249 Tarife zu.
Wo es jedoch nicht der Fall ist, bleibt die Frage, wann Eltern ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben. Und ob sie es dann auch noch zugeben, was nicht gerade angenehm ist. Doch erst wenn das feststeht, haben sie tatsächlich einen Fehler begangen. Dann wäre es zwar nach wie vor keine Haftsache für das Kind, dafür aber für die Eltern. Und für die könnte die Haftpflicht einspringen.
Aus Gesprächen und Literatur geht hervor, dass ausreichende Aufsicht sehr subjektiv ist und am Ende oft von Gerichten abhängt. Und die wiederum müssen berücksichtigen, wie weit das Kind entwickelt ist, wie vernünftig es ist, welchen Charakter es hat, was für ein Elternhaus und so weiter. Die Mitarbeiter von Schmidt Versicherungsmakler aus dem brandenburgischen Velten zitieren in ihrem Blog ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2009, das Anhaltspunkte liefert.
Von jederzeit eingreifen können bis ungefähr wissen, was das Kind tut
Demnach müssen Eltern Kinder bis zu vier Jahren so beaufsichtigen, dass sie jederzeit eingreifen können. Bis zu sieben Jahren müssen sie sie alle 15 bis 30 Minuten überwachen, meist reicht ein kurzer Kontrollblick. Und ab acht Jahren reicht es wohl aus, wenn die Eltern wissen, wo die Kinder sind und was sie ungefähr tun. Am Ende ist es oft eine heikle Angelegenheit. Einerseits fürchten Eltern den Stempel „Rabeneltern“, wenn herauskommt, dass sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
Andererseits richten Kinder die Schäden meistens im Verwandten- oder Bekanntenkreis an oder direkt in der Nachbarschaft. Dann geht es um nicht weniger als den lieben Frieden. Weshalb Eltern oft aus eigener Tasche zahlen, wenn die Haftpflicht abwinkt.
Das kam für Axel Hendel nicht infrage. Weshalb Ernst Wehners Anwalt ihm nachweisen wollte, dass er sein Kind nicht ausreichend beaufsichtigt hatte. Denn Laura fuhr zwar zwischen ihren Eltern, aber eben auf der Straße. Wo doch laut Straßenverkehrsordnung Kinder unter acht Jahren auf dem Gehweg zu fahren haben. Das ergibt Sinn, möchte man meinen. Allein, es half nichts. Das Gericht wies die Klage ab, und Ernst Wehner blieb auf seinem Schaden sitzen.
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