- Von Andreas Harms
- 20.05.2022 um 08:29
Am vergangenen Sonntag kam mein Sohn zum ersten Mal mit Kriminalität im echten Leben in Kontakt. Nun ja, das ist vielleicht ein bisschen sehr dramatisch ausgedrückt – jemand hatte ihm den Sattel geklaut, als sein Fahrrad am S-Bahnhof stand.
Der Augenblick, in dem wir das entdeckten, führte mir aber plötzlich etwas vor Augen. Denn mein Kind brach nach dem ersten Schock in Tränen aus und war nur schwer zu trösten. Nicht einmal mit der Nachricht, dass er ja einen neuen Sattel bekommt. Er war noch nie zuvor ernsthaft beklaut worden. Das war völlig neu für ihn. Nun überwältigte ihn diese Mischung aus Entsetzen, Ohnmacht und purer Traurigkeit.
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In mir grummelte eher eine Art Fassungslosigkeit über diesen Drecksack, der einfach im Vorbeigehen meinem Kind den Sattel wegnimmt. Aber auch Wut auf mich selbst: Denn an dieser Stelle warne ich ausdrücklich vor den eigentlich ganz praktischen Schnellspannern. Ich hatte ihn nicht gegen einen normalen Bolzen ersetzt, wie ich das sonst eigentlich mache. Deutlicher kann man eine Einladungskarte an lange Finger gar nicht verschicken.
Warum ich das schreibe? Weil dieses kleine Beispiel zeigt, was selbst die allerbeste Versicherung nicht leisten kann. Denn sicherlich sind unsere Fahrräder versichert, auch fest verbundene Einzelteile. Und es ist auch nur ein Sattel, der Ersatz kostete nicht einmal 20 Euro. Das ist es nicht.
Die Spuren, die bleiben, sind nämlich anderer Art. Auf einer höheren Ebene sind es ähnliche Spuren, die bei Menschen auftauchen, wenn sie morgens ihre Schubladen durchwühlt vorfinden, weil nachts jemand in ihre Wohnung eingestiegen ist. Bei Menschen, denen ein Feuer liebgewonnene Gegenstände wegnahm. Oder noch schlimmer: Menschen, denen eine Flutwelle das Haus wegriss. Oder gar einen geliebten Menschen. Es bleiben Splitter im Gehirn, die nicht weichen wollen.
Zum Beispiel erinnere ich mich noch genau an den Abend im Jahr 1995, an dem ich von der Schwimmhalle nach Hause fahren wollte. Jemand hatte von meinem Fahrrad das Hinterrad abgeschraubt und mitgenommen. Auch damals zahlte die Versicherung den Schaden ohne Probleme. Somit erinnere ich mich heute, nach fast 30 Jahren, zwar immer noch an Ärger, Wut, Ohnmacht und das elende Geschleppe meiner Fahrradreste. Das konnte auch der Versicherer nicht aus meinem Gedächtnis tilgen. Aber er fügte zumindest eine gute Erfahrung hinzu, die bis heute damit untrennbar verbunden ist.
Denn das ist es, was Versicherer, Vermittler und Makler sehr wohl leisten können. Sie können Schmerz und Traumata nicht ungeschehen machen. Sie können sie aber lindern, indem sie die schlechten Erlebnisse um einige gute ergänzen. Und wenn sie das auch noch empathisch hinbekommen, ist schon wirklich viel gewonnen.
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