- Von Lorenz Klein
- 12.05.2023 um 17:01
Geht es nach den Bundesländern, muss es in Deutschland eine verpflichtende Elementarschadenversicherung geben. Eine entsprechende Initiative hatte der Bundesrat Ende März einstimmig beschlossen (wir berichteten). Nun wächst der Druck auf die Ampel, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen.
Doch die Bundesregierung ist – wie bei so vielen Themen in jüngster Zeit – auch in dieser Frage gespalten. Das zeigte sich am Freitag auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der 33. Wissenschaftstagung des Bund der Versicherten (BdV) in Hamburg. „Am Ende des Tages wird es nicht ohne eine Elementarschaden-Pflichtversicherung gehen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt von Bündnis 90/Die Grünen, der aus Berlin in die BdV-Zentrale zugeschaltet wurde. Die FDP-Abgeordnete Anja Schulz, die ebenfalls digital mitdiskutierte, lehnte eine Pflicht hingegen ab, weil diese einen „starken Grundrechtseingriff“ bedeuten würde. Stattdessen müsse es darum gehen, die Menschen stärker über die Gefahren aufzuklären vor dem Hintergrund häufiger auftretender Extremwettereignisse, so Schulz.
„Das geht nur über eine solidarische Pflichtversicherung“
BdV befürwortet Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz
Bundesrat fordert Elementarschaden-Pflichtversicherung
Grünen-Politiker Schmidt hielt dem entgegen, dass die Versicherungspflicht von der Bevölkerung mehrheitlich akzeptiert sei und der Weg zur Pflicht zudem verfassungskonform beschritten werden könne. Das habe man auf Bundesebene umfassend geprüft. Ziel sei es eine „Win-Win-Situation“ aus Prävention und Versicherung zu schaffen, so Schmidt.
Die Höhe der Versicherungsprämien stelle Schmidt zufolge keine unverhältnismäßige Belastung dar – womit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zuletzt gegen eine Pflicht argumentiert hatte. In den meisten Lagen in Standardwohngebieten würde die Prämie 50 bis 200 Euro im Jahr betragen. „Das ist aus meiner Sicht erschwinglich“, so der Grüne. In den gefährdeten Gebieten, also Gefahrenklasse 3 bis 4, liegen laut Schmidt nur noch 1,5 Prozent des Gebäudebestandes. Hier könne eine Prämie auch schonmal höher sein und „im dreistelligen, vielleicht auch im vierstelligen Bereich“ liegen. Mit hohen Selbstbehalten und Präventionsmaßnahmen könne man die Kosten aber auf 300 bis 600 Euro drücken. In Härtefällen müsse man dann über einen sozialen Ausgleich denken, so Schmidt.
„Da muss Zwang das letzte Mittel sein“
Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband gab zu bedenken, dass die Selbstbehalte nicht zu hoch ausfallen dürften. „Wenn ich mit einem Selbstbehalt von 100.000 Euro unterwegs bin, dann ist das für mich eine Katastrophenversicherung, aber keine Elementarschadenversicherung.“ Zudem warb Gatschke dafür, die Menschen mitzunehmen. „Da muss Zwang das letzte Mittel sein – und das muss auch gut begründet sein.“ Für die Akzeptanz sei der Versicherungsschutz entscheidend, betonte der Verbraucherschützer. Es helfe daher nichts bei einer Pflichtversicherung zugleich eine hohe Ausschlussdeckung zu haben.
Die Runde widmete sich auch der Frage von Diskussionsleiter Matthias Beenken, warum es überhaupt einen so geringe Verbreitungsgrad beim Elementarschutz von nur rund 45 Prozent gebe? Lars Gatschke führte dies auch auf ein gewisses Beharrungsvermögen in der Bevölkerung zurück. Man habe es in den Beratungen der Verbraucherschützer stellenweise mit „Methusalem“-Policen zu tun, „da tauchen Versicherungsnamen auf, die nicht mehr existent sind“, schilderte Gatschke. Viele Menschen achteten nicht auf den Versicherungsschutz und was da eigentlich drin sei. „Es ist ja nochmal gut gegangen“, sei da eine häufig anzutreffende Mentalität.
„Schafft es der Vertrieb nicht?“
„Schafft es der Vertrieb nicht?“, fragte Beenken schließlich Anja Käfer-Rohrbach vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Vielen Menschen griffen die Wohngebäudeversicherung nicht an, daher gebe es tatsächlich viele „Methusalem“-Policen, bestätigte Käfer-Rohrbach. Und viele Menschen hätten noch nie ein Hochwasser erlebt, „der Fluss ist weit weg, kein See in der Nähe, wofür brauche ich das?“, sei dann oft die Frage. „Da ist einfach das Risikobewusstsein nicht da – und da dringen sie, egal wie gut Ihr Vertrieb ist, nicht durch“. Allerdings sei das Beharrungsvermögen in allen Gefahrenzonen vorhanden, denn der Elementarschutz sei in allen „Zürs“-Gebieten gleich verteilt, wie die GDV-Frau weiter berichtete.
Nun ja, Mitte Juli auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz wird man wohl einen „Showdown“ erleben, weil dann die Länder die Eckpunkte ihres Pflicht-Konzepts vorlegen sollen. Aber bis dahin fließt noch ein bisschen Wasser die Elbe herunter unweit der BdV-Zentrale in Hamburg-Bahrenfeld.
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