Rechtsanwalt Björn Thorben Jöhnke ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. © Kanzlei Joehnke & Reichow
  • Von Björn Thorben M. Jöhnke
  • 22.11.2018 um 17:31
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:45 Min

Das Berliner Kammergericht hat sich jüngst damit befasst, ob ein Rückstauschaden bei angestautem Wasser infolge Starkregens von der Wohngebäudeversicherung zu regulieren ist. Das Urteil zeigt: Nicht alles, was zunächst wie ein witterungsbedingter Rückstau aussieht, ist ein Schadenereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen.

Was ist Rückstau?

Bei Rückstau handelt es sich um Wasser, das über die Kanalisation aufgrund von Überschwemmung oder starken Regenfällen nicht mehr abgeführt werden kann und über die Straßenoberkante steigt. Das aufgestaute Wasser sucht sich infolge des Drucks einen Weg zu offenen Abwasserstellen, wie beispielsweise Toiletten und Waschbecken. Ein Rückstau gehört bei Versicherungen, genauso wie Schäden durch Sturm oder Überschwemmungen, zu den sogenannten Elementarschäden. Es handelt sich hierbei um Schäden, die durch Naturereignisse hervorgerufen werden. Für Rückstauschäden ist folglich eine sogenannte Elementarschadenversicherung erforderlich. Sie wird in Kombination mit einer Gebäude- sowie Hausratversicherung oder durch Erweiterung dieser Verträge abgeschlossen. Nur wenn der Rückstau als Elementarschaden vom Versicherungsschutz umfasst ist, trägt die Versicherung die Schadensbeseitigungskosten. 

Bestehen Schadensersatzansprüche aus der Wohngebäudeversicherung?

Vorliegend verlangte die Versicherungsnehmerin von ihrem Wohngebäudeversicherer Schadenersatz für einen Wasserschaden infolge Unwetters mit Starkregen.

In dem zu entscheidenden Fall vor dem Kammergericht (KG) Berlin erlitt die Versicherungsnehmerin einen Schaden, weil Regenwasser von ihrem Balkon im vierten Obergeschoss in ihre Wohnung drang. Von dort aus lief das Wasser in die darunterliegenden Wohnungen. Das Abflussrohr des Balkons war aufgrund anhaltenden Starkregens „randvoll“ und konnte die auf dem Balkon niedergehenden Regenmengen nicht mehr aufnehmen. Deshalb staute sich Wasser auf dem Balkon, bis es die Balkontürschwelle überstieg.

Die Versicherungsnehmerin ging davon aus, dass es sich um ein versichertes Ereignis handelte. Sie berief sich auf einen Rückstau. Im Rahmen der Wohngebäudeversicherung waren unter anderem auch Schäden versichert, die durch den Rückstau von Wasser entstehen. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung ab und wies darauf hin, dass kein Schadensereignis im Sinne der Elementarschadenversicherung vorliegt.

Das Urteil

Das KG Berlin verneint ein Vorliegen eines versicherten Rückstauschadens bei angestautem Wasser infolge Starkregens. Begründung: Das KG Berlin hatte diesen Sachverhalt weder als Leitungswasserschaden (siehe Urteil OLG Hamm vom 18. November 2016, Az. 20 U 148/16) noch als Rückstauschaden im Sinne der Wohngebäude-Versicherungsbedingungen bewertet. Ein Rückstau im Sinne des Paragrafen 4 VGB setzt voraus, dass Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes austritt. Bei angestautem Wasser infolge außergewöhnlichen Starkregens auf dem obersten Balkon eines Gebäudes kommt es eben nicht zum Austritt von Niederschlagswasser aus dem Balkonentwässerungssystem. Wasser kann nur dann aus einem Rohrsystem austreten, wenn es zuvor in dieses eingetreten ist, so das Kammergericht. Vorliegend konnte das Niederschlagswasser nicht mehr von dem Regenfallrohr aufgenommen werden und somit auch gar nicht erst in dieses eintreten. Das Gericht bewertete dies als einen bestimmungswidrigen Nichteintritt von Wasser, wobei es aber gerade auf einen bestimmungswidrigen Austritt ankommt (siehe OLG Hamm, Beschluss vom 26. April 2017, Az: 20 U 23/17).  

Elementarschadenversicherung schützt nicht vor allen Gebäudeschäden, die durch Witterungsniederschläge verursacht werden

Das Kammergericht ist der Auffassung, dass auch Sinn und Zweck des Paragrafen 4 VGB keine andere Auslegung gebieten. Es macht in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2018 deutlich, dass die Elementarschadenversicherung zwar dem Schutz vor Schäden dient, die durch die „Elemente“ wie etwa Witterungsniederschläge verursacht werden. Dies bedeutet nach Worten des Kammergerichts aber nicht, dass damit alle Gebäudeschäden, die durch Witterungsniederschläge verursacht werden, automatisch versichert sein müssten (siehe OLG Hamm, Beschluss vom 26. April 2017 – 20 U 23/17). Der Versicherungsnehmer kann lediglich erwarten, dass bestimmte in den Versicherungsbedingungen definierte Schäden, die durch Starkregen ausgelöst werden, gedeckt sind, wie insbesondere Überschwemmung und Rückstau.

Fazit

Damit liegt kein versicherter Rückstauschaden im Sinne der Wohngebäudeversicherung bei angestautem Wasser infolge Starkregens vor. Das Ereignis war nicht versichert. Konsequenterweise musste der Wohngebäudeversicherer für die Schadenersatzkosten nicht aufkommen. Damit bestätigt das Kammergericht die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2017 (Az: 20 U 23/17).

Die Frage, ob es sich in einem konkreten Fall tatsächlich um ein versichertes Ereignis handelt, ist bisweilen also nicht einfach zu beantworten. Die Elementarschadenversicherung bietet jedenfalls keinen Schutz gegen alle Schäden durch Starkregen.

Über den Autor:

Björn Thorben M. Jöhnke ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Die Kanzlei wird zu dem Bereich „Versicherungsrecht“ auf dem Vermittler-Kongress am 21. Februar 2019 in Hamburg referieren. Informationen zur Agenda finden Sie unter www.vermittler-kongress.de. Weitere Informationen zum Versicherungsrecht können Sie hier einsehen.

autorAutor
Björn Thorben M.

Björn Thorben M. Jöhnke

Björn Thorben M. Jöhnke ist Gründer und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Suche
Close this search box.
Zuletzt hinzugefügt
Wie die Zukunft der bAV aussieht
Handelsblatt Jahrestagung bAV 2024

Wie die Zukunft der bAV aussieht

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden
AfW-Vermittlerbarometer: Nachhaltigkeit

Vermittler müssen und wollen sich weiterbilden

Skip to content