- Von Andreas Harms
- 19.06.2023 um 10:49
Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) ist nicht der Meinung, dass die Prämien für Wohngebäudeversicherungen in den kommenden Jahren stark steigen müssen. In dieser Richtung hatte sich der Versichererverband GDV geäußert. Grund sind die steigenden Kosten durch Extremwetterschäden und damit auch für den sogenannten Elementarschutz (Wir berichteten).
Das ZEV hält nun dagegen. Man müsse nicht die Prämien hochziehen, sondern könne sich am französischen Modell orientieren. Dort hätten sich 98 Prozent der Haushalte gegen Elementarschäden versichert, und die Prämien lägen sogar niedriger als hier in Deutschland. „Die Zauberformel lautet Solidarität“, erklären die Verbraucherschützer.
Versicherer warnen vor Verdopplung von Wohngebäudeprämien
Unwetter kosten Versicherer 13 Milliarden Euro
In diesem Zusammenhang haben sie eine Studie veröffentlich, die das französische System beschreibt. Es ist ein umfassendes Werk, das wir hier nur in einigen Punkten wiedergeben. Wer es komplett lesen möchte, findet es hier.
Ein Anker ist das 1982 eingeführte Schutzkonzept bei Naturkatastrophen, das „Cat-Nat-System“. Es verknüpft private Versicherungen mit einer staatlichen Rückversicherung. Beides beaufsichtigt und regelt der Staat zu großen Teilen, sodass Versicherer ihre Verträge nicht mehr sonderlich frei gestalten können. Zum Beispiel unterliegen sie dem Kontrahierungszwang, dürfen also Verträge nicht ablehnen. Die Versicherungsbedingungen enthalten Standardklauseln, und die versicherten Schäden sind festgelegt, ebenso wie die Voraussetzungen für den Versicherungsfall.
Drei Punkte müssen für den Schadenfall erfüllt sein:
- Der Schaden ist auf ein Naturereignis zurückzuführen
- Die üblichen Schutzvorkehrungen hätten den eingetretenen Schaden nicht verhindern können oder konnten nicht ergriffen werden
- Das Naturereignis war aufgrund seines Ausnahmecharakters nicht abgesichert
Und liegt der Schaden vor, sind auch die Schritte im Entschädigungsverfahren gesetzlich festgelegt. Doch damit Schäden gar nicht erst überhandnehmen, beugt Frankreich seit Jahren über umfassende Systeme und Maßnahmen vor. Etwas, das in Deutschland zumindest bisher regelmäßig verschlafen wurde.
So weit, so typisch Frankreich mit seinem dominanten Staatssystem. Doch in dieser Studie springt auch gleich ein weiterer gravierender Unterschied zu Deutschland ins Auge: Versicherungen gegen Elementarschäden sind zwar nicht offiziell vorgeschrieben – durch die Hintertür aber zu einem gewissen Grad schon. Denn wer eine Immobilie mieten oder kaufen will, muss üblicherweise eine Hausrat- und/oder Gebäudeversicherung vorweisen können.
In diesen beiden Vertragsarten und außerdem in Teil- und Vollkaskoversicherungen für Fahrzeuge sind Elementarschadenversicherungen vorgeschrieben (in der KFZ-Haftpflicht allerdings nicht). Außerdem enthalten sie zusätzlich eine Haftpflicht-Komponente. „Insoweit handelt es sich um einen Versicherungsvertrag, der Wohngebäude-, Hausrat und Haftpflichtversicherung verbindet und insoweit Vermögensschutz auch im Fall des eigenen Verschuldens bietet“, folgern die Studienautoren. Auch das steigert die Akzeptanz und erklärt die weiter oben erwähnte Versicherungsquote von 98 Prozent.
Viel mehr Schultern als in Deutschland
Dieser enorm hohe Wert wiederum sorgt dafür, dass sich die Lasten bei Naturkatastrophen auf viel mehr Schultern verteilen als in Deutschland, wo die Quote nur ungefähr 50 Prozent beträgt. Und wo sich Menschen, die keine Gefahr für sich sehen, auch nur selten versichern.
Auch in die Beitragshöhe mischt sich der Staat in Frankreich zu einem gewissen Grad mit ein. So beträgt er im Rahmen der Hausratversicherung 12 Prozent der gesamten Versicherungsprämie. Und bei den KFZ-Versicherungen macht er 6 Prozent der Beiträge für Diebstahl und Feuer aus. Die gesamten Prämien richten sich allerdings sehr wohl nach individuellen Umständen, also Art und Ort von Immobilie oder Auto und so weiter.
Die Studienautoren haben einmal die Prämie für den Elementarschutz im Rahmen der Hausratversicherung ausgerechnet. Sie kommen auf 26 Euro pro Jahr im Durchschnitt für alle Verträge.
Staatlicher Rückversicherer in Frankreich
Und dann wäre da noch die Frage, was passiert, wenn Naturkatastrophen zu heftig und damit zu teuer für die Versicherer werden. Die deutschen Versicherer fordern in dem Fall, dass der Bund ab einer Schadensumme von 30 Milliarden Euro einspringt (wir berichteten).
In Frankreich existiert erst einmal eine Zwischenstufe. Dort rückversichert die Caisse centrale de réassurance (CCR) die Versicherer. Sie gehört komplett dem Staat. Nutzt ein Versicherer den sogenannten Quoten-Vertrag, zahlt er einen festen Anteil seiner Beiträge. Dafür bekommt er im Schadenfall einen ebenfalls vorbestimmten Anteil vom Rückversicherer erstattet.
Der Stop-Loss-Vertrag hingegen greift dann, wenn die Schäden über einen vorher bestimmten Betrag hinausgehen. Dann bekommt der Versicherer den übersteigenden Betrag komplett erstattet. „Stop-Loss“ ist übrigens ein Begriff aus dem Wertpapierhandel. Es bezeichnet ein Limit, das Verluste begrenzen soll. Fällt der Kurs darunter, wird automatisch sofort verkauft.
Übersteigen die Schäden auch die Kräfte der CCR, springt schließlich der Staat ein. Dazu besteht eine entsprechende Garantie – vergleichbar mit der 30-Milliarden-Euro-Forderung in Deutschland. Als Gegenleistung kassiert der Staat allerdings 1,8 Prozent der von den privaten Versicherern an die CCR gezahlten Elementarschaden-Zuschläge. Vielleicht wäre auch das mal eine Idee für Deutschland.
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