- Von Lorenz Klein
- 23.05.2023 um 17:46
Es ist ein veritabler Achtungserfolg, den die deutschen Schaden- und Unfallversicherer im vergangenen Jahr für sich verbuchen konnten: Trotz hoher Inflation und schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gelang es der Branche 2022 in die Gewinnzone zurückzukehren und einen versicherungstechnischen Gewinn von rund 4 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Das meldete die Rating-Agentur Assekurata am Dienstag auf Basis ihres aktuellen „Marktausblick Schaden-/Unfallversicherung“, den das Kölner Unternehmen zum nunmehr zehnten Mal veröffentlicht hat.
„Im Vergleich zum Vorjahr, als die Branche noch unter historischen Belastungen durch Elementarschadenereignisse litt, war das eine deutliche Verbesserung“, halten die Autoren der Branche zugute. Wobei die Experten damit zu erkennen geben, dass die Gesellschaften im vergangenen Jahr einfach auch mehr Glück hatten als im Horror-Jahr 2021 als die Häuser im Ahrtal in den Fluten versanken. Die Branche durfte sich also über eine nur durchschnittliche Elementarschadenbelastung „freuen“, was den negativen Effekt der stark steigenden Schadenaufwendungen infolge der Inflation zu mildern vermochte.
Welche Sparten Assekurata besonders unter Druck sieht
Doch dies verschafft den Gesellschaften wohl nur eine kurze Atempause, denn die Inflation ist bekanntlich gekommen, um zu bleiben, wie Wirtschaftsexperten nicht müde werden zu betonen. Und weil das so ist, könnten „Margen und die Wachstumsdynamik in den kommenden Jahren deutlich unter Druck geraten“, wie die Marktbeobachter befürchten.
Insbesondere die Wohngebäudeversicherung und die Kraftfahrtsparten hatten und haben unter inflationsbedingt steigenden Schadenaufwendungen zu leiden. Dabei zeigt sich, dass vor allem die KFZ-Versicherer in einem Dilemma stecken. So seien die Beitragsanpassungen in der Kraftfahrtversicherung bisher viel zu niedrig ausgefallen – und das nur aufgrund des scharfen Wettbewerbs in der Sparte, wie Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden- und Unfallversicherung bei Assekurata klarstellt. „Um langfristig wieder in die Gewinnzone zu gelangen, müssten die Unternehmen die Beiträge im zweistelligen Prozentbereich anpassen“, so Wittkamp.
Zusätzlich werde sich die Wachstumsdynamik in der KFZ-Versicherung der vergangenen Jahre voraussichtlich im Jahr 2023 weiter abschwächen. „Die Neuzulassungen und Besitzumschreibungen liegen weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau, was bedeutet, dass die Kfz-Versicherer immer noch in einem sehr umkämpften Markt agieren, was notwendige Preisanpassungen erschwert“, erläutert Wittkamp.
Stark steigende Prämien erwartet Assekurata auch in der Wohngebäudeversicherung. „Die unverändert hohe Inflation im Baugewerbe treibt über den Baupreisindex unmittelbar die zu zahlende Prämie. Damit wird es im laufenden Jahr erneut deutlich teurer für die Kunden“, meint Assekurata-Chef Reiner Will. Gleichzeitig werde sich das Wachstum nach Verträgen voraussichtlich abschwächen. „Die bereits deutlich rückläufige Bautätigkeit wird sich im Laufe des Jahres noch verstärken und die Wachstumsdynamik in der Wohngebäudeversicherung nachdrücklich dämpfen“, so Wills Prognose.
Analysten befürworten Versicherungspflicht bei Elementargefahren
Größere Vertragszuwächse könnte die Branche laut Assekurata verzeichnen, wenn eine Versicherungspflicht für Wohngebäude gegen Elementarereignisse eingeführt würde. „Es hat sich gezeigt, dass auf freiwilliger Basis keine angemessene Versicherungsdichte erreicht werden kann“, sagt Dennis Wittkamp. Denn obwohl viele Versicherer durch den Einsatz von Opting-Out-Regelungen den Anteil an Wohngebäudeversicherungen mit Elementarschutz erhöhen konnten, sei die Gesamtzahl immer noch zu niedrig. Zudem lasse sich nur mit einer Versicherungspflicht ein optimaler Risikoausgleich erreichen, argumentiert Wittkamp für die Einführung einer Versicherungspflicht. „Staatliche Zuschussmodelle sollten hier dann finanzielle Härten abfedern, da die Folgen des Klimawandels als gesamtgesellschaftliche Aufgabe den Einsatz von Steuermitteln rechtfertigen. Zugleich muss aber auch das Bauordnungs- recht an den Klimawandel angepasst werden“, wie Reiner Will hinzufügte.
Zusammengefasst lautet die Prognose der Experten so: Das Jahr 2023 stellt die deutschen Schaden- und Unfallversicherer erneut vor zahlreiche Herausforderungen. Dabei identifiziert das Kölner Ratinghaus die steigenden Zinsen und die Inflation als zentrale Einflussfaktoren, welche die Branche im aktuellen Geschäftsjahr beschäftigen werden. „Aus Ertragssicht dürfte 2023 erneut ein schwieriges Jahr für die Branche werden“, resümiert Dennis Wittkamp. Und weiter: „Die Inflation wird die Schadenkosten unabhängig von der Schadenhäufigkeit deutlich in die Höhe treiben. Die bisher erfolgten Beitragsanpassungen dürften kaum ausreichen, um die steigenden Kosten auszugleichen.“
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