Ein Mann steht auf einer Straße in Simbach am Inn vor Trümmern: Dauerregen hatte am 1. Juni 2016 zu einer Überschwemmung der Stadt geführt. © picture alliance / dpa / Tobias Hase
  • Von Jens Lehmann
  • 30.03.2021 um 15:05
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Während fast alle Hauseigentümer eine Wohngebäudeversicherung haben, hapert es beim Zusatzschutz vor Unwetterschäden. Eine gefährliche Versicherungslücke in Zeiten des Klimawandels – und eine große Aufgabe für Versicherungsmakler.

Die Menschen in Simbach an der Grenze zu Österreich werden Elvira sicher niemals vergessen: Am 1. Juni 2016 zieht das gleichnamige Tiefdruckgebiet mit sintflutartigem Starkregen über den Ort hinweg und löst eine Jahrhundert-Sturzflut aus. Der Simbach, sonst eher ein Rinnsal, wird binnen Sekunden zu einem alles mitreißenden Strom. Sein Wasserstand steigt um fünf Meter. Kaum ein Haus in der Kleinstadt bleibt von den plötzlich hereinbrechenden Schlamm- und Wassermassen verschont. Elvira hinterlässt eine beispiellose Spur der Verwüstung. Bilanz der Katastrophe: 70.000 Euro Sachschaden im Schnitt – pro Gebäude!

Doppelt bitter für die Geschädigten: Nur jeder Vierte im Ort war zusätzlich zur normalen Wohngebäudeversicherung auch gegen Elementarschäden abgesichert. Doch genau dieser Zusatzbaustein wäre notwendig gewesen, um finanzielle Hilfe von der Versicherung für die Unwetterschäden zu bekommen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnt eindringlich vor zunehmenden Unwetterereignissen wie in Simbach. Viele Hauseigentümer unterschätzten die Gefahr für ihre Immobilie durch Naturgewalten wie Starkregen oder Flutwellen.

Elementarschutz fehlt oft

Diese Sorglosigkeit spiegelt sich deutlich in der Versicherungsdichte wider: Während im Bundesdurchschnitt mehr als 90 Prozent aller Wohnhäuser durch eine Wohngebäude-Police gegen Leitungswasserschäden, Feuer, Sturm und Hagel versichert sind, hat nicht einmal die Hälfte der Hauseigentümer ihr Betongold finanziell gegen besondere Naturgefahren wie Starkregen, Überschwemmungen, Schlammlawinen oder Erdrutsch abgesichert.

Durchschnittlich haben sich nur 45 Prozent für eine Elementarversicherung entschieden, im Norden liegt die Versicherungsdichte laut GDV sogar deutlich unter 30 Prozent. In Bremen, Schlusslicht der Statistik, sind 78 Prozent der Wohngebäude nicht gegen Naturgewalten versichert. Insgesamt stehen bundesweit gut 10 Millionen Wohngebäude ohne Schutz da.

Unwetter könnten überall auftreten

„Es ist sehr gefährlich, auf den Elementarschutz fürs Haus zu verzichten“, sagt Rainer Brand, Vorstand Produkte und Vertrieb bei der Domcura in Kiel. „Denn mittlerweile können praktisch überall in Deutschland schwere Unwetter auftreten.“ Es gebe infolge des Klimawandels keine Region mehr, die vor Naturgefahren sicher sei. „Früher waren meist nur Immobilien in Flussnähe von Hochwasser bedroht. Heute kann es auch Häuser und ganze Orte in vermeintlich sicherer Lage treffen.“

Im schlimmsten Fall droht nicht versicherten Hauseigentümern ein finanzielles Desaster. Schnell gehen die Schäden in die Zehntausende Euro, manche Gebäude sind nicht mehr zu retten. So wie in Simbach. Hier standen Dutzende Immobilien auf vermeintlich sicherem Terrain und fielen versicherungstechnisch in die niedrigste von vier Gefährdungsklassen – wie bundesweit 90 Prozent aller Wohngebäude. Demzufolge ist ein Hochwasser in diesem Gebiet statistisch gesehen nicht einmal alle 200 Jahre zu erwarten. Ein Grund dafür, warum sich viele Simbacher sicher vor Naturgewalten wähnten und auf den Zusatzbaustein Elementarschadenversicherung für ihr Haus verzichteten, obwohl der Schutz wegen der niedrigen Gefährdungsklasse relativ günstig zu haben gewesen wäre. Ein teurer, existenzbedrohlicher Irrtum.

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Jens Lehmann

Jens Lehmann ist diplomierter Publizist und Betriebswirt und arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg. Er ist thematisch auf Wirtschafts-, Finanz- und Mobilitätsthemen spezialisiert. Seine Beiträge erscheinen in Publikationen großer Zeitungsverlage, Unternehmensveröffentlichungen sowie bei Pfefferminzia.

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